Der dunkle Thron
Waliser!«
»Aber sein Vater und sein Großvater«, konterte Madog achselzuckend, als interessiere das ganze Thema ihn nicht sonderlich, Carls englische Hochnäsigkeit eingeschlossen. Er wandte sich an Nick. »Du bist Tamkin?«
»Genau.« Nick schüttelte die dargebotene Hand. Sie war warm, trocken und schwielig. Er mochte Madog auf Anhieb: ein fröhlicher Kerl nicht älter als er selbst, mit dunklen Augen und blonden Haaren, die altmodisch lang waren und auf breite Schultern fielen. Er war stämmig und kompakt und wirkte stark wie ein Schmied. »Dich können wir hier gut gebrauchen, Madog«, erklärte Nick lächelnd.
Madog zwinkerte ihm zu, und als er ihn losließ, um Mickey zu begrüßen, spürte Nick einen kleinen, eckigen Gegenstand in der Hand. Instinktiv schloss er die Faust darum und ging ohne Eile in die Sattelkammer, um ihn zu begutachten. Es war ein zusammengefalteter Zettel: Geh nach dem Abendessen ins Dorf. Ich warte bei den Birnbäumen im Garten hinter dem Pfarrhaus auf dich. Komm allein.
Der Obst- und Gemüsegarten des Pfarrhauses war groß und verwildert. Das hohe Gras strich raschelnd über Nicks Waden, als er zögernd in den Schatten der Birnbäume trat. Hier war es angenehm kühl und dämmrig. Das Abendlicht jenseits der Bäume hatte den Kupferton angenommen, der vom nahenden Ende des Tages kündete, und in den Wiesen zirpten die Grillen.
Der walisische Stallbursche saß im Gras, den Rücken an einen Baumstamm gelehnt, und saugte an einem Weizenhalm. »Ah!«, rief er, als er ihn kommen sah. »Gott zum Gruße … Tamkin.«
Nick blieb mit verschränkten Armen vor ihm stehen und sah auf ihn hinab. »Wer bist du?«
»Madog, der neue Stallknecht?«, schlug der Waliser mit einem komischen Stirnrunzeln vor.
»Ein Stallknecht, der schreiben kann?«, konterte Nick.
»Na und? Du bist ganz offensichtlich ein Stallknecht, der lesen kann, sonst wärst du kaum hier.«
Nick atmete langsam tief durch, um die Ruhe zu bewahren, und sagte: »Wer immer du bist und was immer du dir vorstellst, was du hier tun willst: Es ist nicht zum Lachen.«
Der junge Waliser wurde schlagartig ernst, sah blinzelnd zu ihm hoch und lud ihn dann ein: »Ich schätze, es ist besser, du setzt dich.«
Nick ließ sich ihm gegenüber im Gras nieder. »Also, ich frage dich noch einmal: Wer bist du?«
»Madog Pembroke.« Er vollführte eine vage Geste. »Du und ich sind Vettern oder so was Ähnliches. Der Vater meines Großvaters war Jasper Tudor, der Großonkel des Königs. Dieser Jasper Tudor war der Duke of Bedford und Earl of Pembroke und hatte einen Haufen Bälger mit einer gewissen Blanche of Waringham.«
»Jesus …« Nick musste unwillkürlich grinsen. »Eins unserer ganz schwarzen Schafe. Sie hat ihrem Gemahl eine Hand abgehackt, wenn ich mich recht entsinne.«
»Hm.« Es war ein anerkennender Laut. »Einer der Gründe, warum wir ihr Andenken in Ehren halten, denn der besagte Gemahl war ein Schuft und in Wales nicht gut gelitten. Mit meinem Urgroßvater hatte sie mehr Glück, auch wenn der sie nie geheiratet hat. Ihr ältester Sohn Owen war mein Großvater.«
»Aber wie …« Nick war hoffnungslos verwirrt. »Wie kommst du hierher? Und woher weißt du, wer ich bin und wie ich mich hier nenne?«
»Na ja, das ist ein bisschen kompliziert. Mein Bruder – schon wieder ein Owen – ist der neue Stallmeister in Waringham und …«
»Was ist mit Daniel?«
»Der ist jetzt Vormann. Ich hoffe, du weißt, dass ein Londoner Pfeffersack deine Ländereien gepfändet hat?«
»Ja. Vorübergehend.«
»Nun, er tut so, als gehörten sie ihm, so viel ist sicher. Er hat deinen Schwager Philipp zum Steward bestimmt und …«
»Was? Aber er zürnt Philipp und Laura, weil sie Reformer sind.«
»Junge, wenn du mich nicht langsam mal ausreden lässt, wirst du nie erfahren, was passiert ist«, protestierte Madog.
Nick schüttelte fassungslos den Kopf, forderte ihn aber mit einer matten Geste auf fortzufahren.
»Sie haben sich versöhnt, wie’s aussieht. Dein Schwager und deine Schwester sind also nach Waringham zurückgekehrt, um dort im Auftrag seines fürchterlichen Onkels mit eisernem Besen zu kehren und zuerst einmal den unfähigen Stallmeister zu ersetzen und das Gestüt wieder auf Vordermann zu bringen. Philipp fragte unseren Cousin John … du weißt schon, John Harrison, der Doktor?«
»Oh, natürlich.«
»Er fragte ihn, ob er nicht jemanden wüsste. Johns Familie und meine haben immer in freundschaftlichem Kontakt
Weitere Kostenlose Bücher