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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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gestanden. Ist nicht weit von Cheshire nach Anglesey, wo wir leben, vor allem, wenn man ein Boot nimmt. John wusste also, dass die Gabe immer stark in unserer Familie war, und er schickte uns einen Boten. Owen und ich machten uns auf den Weg nach Waringham, und er übernahm das Amt des Stallmeisters. Mach dir keine Sorgen wegen Daniel. Er ist froh. Er weiß selbst, dass er nicht der Richtige war. Da waren wir also und fingen gerade an, Spaß daran zu haben, mit deiner grässlichen Stiefmutter zu streiten, da kommt John bei Nacht und Nebel auf das Gestüt und bringt einen Kerl namens Chapuys mit.« Er hielt kurz inne und erkundigte sich dann: »Möchtest du nicht fragen, woher sie sich kennen?«
    »Ich wusste nicht, ob ich riskieren sollte, dich zu unterbrechen«, erwiderte Nick. »Also? Was hat unseren ketzerischen Cousin John und den Gesandten des papsttreuen Kaisers zusammengeführt?«
    Madog lachte leise. »Chapuys’ Galle. Sie macht ihm zu schaffen, und sein Londoner Arzt ist mit John befreundet und zog ihn zu Rate. Chapuys und John kamen ins Gespräch, stritten über diese und jene Ketzerschrift und fanden Gefallen aneinander. Sie kamen auch auf dich zu sprechen, ein Wort gab das andere …« Er breitete kurz die Arme aus. »Laura, Philipp und John ahnten sowieso schon, dass du England nie verlassen hast. Chapuys hat ihnen nicht gesagt, wo du bist und was genau du tust; du weißt, warum. Aber er sagte, du könntest vielleicht ein wenig Hilfe gebrauchen. Vorzugsweise von jemandem, der sich auf Pferde versteht und keine Angst vor harter Arbeit und einem Strohbett hat. Das klang, als meinte er mich. Und hier bin ich.«
    Nick war fassungslos. Er fürchtete um die Sicherheit dieses unbekümmerten jungen Walisers, der den Eindruck machte, als lasse er sich gern auf Dummheiten ein, ohne die möglichen Konsequenzen zu überdenken. Aber die Erleichterung, nicht mehr allein zu sein mit seinem Auftrag, dem Geheimnis seiner wahren Identität und der ständigen Gefahr war eine solche Erlösung, dass Nick sich rücklings ins Gras fallen ließ, die Arme ausbreitete und blinzelnd in das Blätterdach der Obstbäume hinauflächelte. »Ich hoffe, Chapuys hat erwähnt, dass der Stallmeister hier außer jeder Menge harter Arbeit auch gern Prügel verteilt?«
    »Was denkst du wohl?«, gab Madog trocken zurück. »Chapuys ist Diplomat. Natürlich hat er das zu erwähnen vergessen.«
    Sie sahen sich einen Moment an und brachen dann in Gelächter aus.
    Es dauerte keine Woche, bis Madog das Kommando auf dem Heuboden übernahm, und Carl erhob nicht einmal Einwände. Madogs fröhliches Naturell hatte alle Vorurteile, die Carl und Mickey gegen Waliser gehegt haben mochten, in Windeseile zerstreut, und anders als bei Tamkin nahm Carl es auch nicht übel, dass Madog sich viel besser auf Pferde und das Reiten verstand als er. Sir Jeremy war nicht erbaut über die große Klappe und den mangelnden Respekt seines neuen Stallburschen, aber an Madogs Arbeit fand er selten etwas auszusetzen.
    Doch für niemanden waren die Veränderungen, die die Ankunft des jungen Walisers mit sich brachte, so gravierend wie für Nick. Zum einen sorgte Madog für solchen Wirbel und lenkte so viel Aufmerksamkeit in den Stallungen auf sich, dass es für Nick wesentlich einfacher wurde, das Schattendasein zu führen, das überlebenswichtig für ihn war. So fiel es beispielsweise niemandem mehr auf, wenn er nach Feierabend zu einem seiner konspirativen Treffen mit Polly verschwand oder sonntags nach der Messe nicht zum Essen erschien, weil Chapuys ihn an einen geheimen Ort bestellt hatte.
    Madog machte sein Leben indessen nicht nur einfacher, sondern vor allem fröhlicher. Nick vergaß nie, dass er jeden Moment entlarvt werden konnte, aber die Furcht und all die bösen Vorahnungen, die sich seit seiner Verhaftung im April wie ein Bleigewicht auf sein Herz gelegt hatten, waren ja so viel leichter zu tragen, wenn man einen Verbündeten hatte, stellte er fest. Mehr als das – einen Freund. Madog ging abends mit ihm in das schmucke kleine Wirtshaus des Dörfchens, und sie tranken ein Bier, sprachen über England und Wales, über Pferdezucht und vor allem über Frauen. Wie so viele walisische Edelleute war Madog äußerst gebildet; er konnte mindestens so gut Latein wie Nick, aber genau wie der war er seinem Naturell nach kein Philosoph und nutzte seine Kenntnisse der klassischen Sprachen vornehmlich zum Verfassen unanständiger Verse. Die trug er Nick vor, wenn sie

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