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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Der Gang war mit Bruchsteinen ausgekleidet, die mit irgendeinem pilzartigen, ekligen Zeug bewachsen waren, das in der Dunkelheit gedieh. Nick dachte lieber nicht darüber nach, was hier unten sonst noch gedeihen mochte, sondern tastete nach der Decke. Keinen Spann über seinem Kopf. Und der Gang mochte im Verlauf niedriger und schmaler werden.
    Behutsam schritt Nick voran. Der Boden war uneben, nach hundert Schritten wurde die Decke in der Tat so niedrig, dass er sich vornüberbeugen musste, und einmal war ihm, als husche eine kleine Kreatur über seinen Fuß, aber er stieß auf keine Hindernisse. Schließlich ertastete seine vorsorglich ausgestreckte linke Hand wieder eine hölzerne Tür, und er drückte behutsam dagegen.
    Ein schwacher, gelblicher Lichtschimmer fiel durch den Spalt in den Geheimgang, und Nick erhaschte einen Hauch von Weihrauch. Madog hatte offenbar recht gehabt – der Gang führte direkt in die Kapelle des Palastes. Nick überlegte, ob er es riskieren konnte, die Tür weiter zu öffnen und einen Blick in die Kapelle zu wagen. So früh am Morgen war gewiss noch niemand hier. Höchstens Mary wäre es zuzutrauen, dass sie schon vor Tau und Tag in die Kapelle schlich. Was für Augen sie machen würde, wenn er hier plötzlich vor ihr stünde …
    Er legte die flache Hand wieder auf die Tür, als er eine Stimme murmeln hörte: »Der König wird ungeduldig. Es wird Zeit, dass sie endlich diesen verdammten Eid leistet.«
    Nicks Hand zuckte zurück, und so groß war sein Schrecken, dass seine Kopfhaut sich davon zu kräuseln schien. Er kannte diese Stimme.
    »Ihr habt gut reden, Cromwell«, antwortete ein zweiter Mann, den Nick ebenso mühelos erkannte, war er doch gestern Zeuge seiner bizarren Vermählung gewesen. Lord Shelton fuhr fort: »Sie ist eigensinniger als eine Frau je sein dürfte. Sie verweigert ihrer Schwester jede Ehrerbietung, und sie verweigert erst recht, den Eid auf das neue Thronfolgegesetz zu schwören.«
    »Der Duke of Norfolk glaubt, Eure Gemahlin sei zu nachsichtig mit ihr. Das glaubt im Übrigen auch der König, fürchte ich, Mylord.« Cromwell sagte es mit einem Hauch von Nervosität, so als sei er in Sorge um Lord und Lady Shelton. Thomas Cromwell war wahrhaftig ein Meister des subtilen Drohgebarens, erkannte Nick, und vor lauter Abscheu bekam er eine Gänsehaut auf den Armen.
    »Nun, dann richtet Norfolk aus, er möge herkommen und selbst sein Glück versuchen«, gab Shelton ungehalten zurück. »Er wird sich wundern. Dieses junge Ding ist einfach nicht zu bändigen. Sie ist zutiefst von der Überzeugung durchdrungen, die einzige Prinzessin in diesem Land und die Erbin ihres Vaters zu sein.«
    »Überzeugungen kann man austreiben. Glaubt mir, ich sehe das jeden Tag«, warf Cromwell gelangweilt ein.
    »Oh, da bin ich sicher.« Shelton bemühte sich nicht, seine Verachtung zu verhehlen, und Nick kam nicht umhin, seinen Mut zu bewundern. »Ich habe ihr die fürchterlichsten Dinge angedroht. Darauf sagte sie, sie werde vielleicht schwach werden und den Eid schwören, aber ein erzwungener Eid habe keine Gültigkeit – weder vor Gott noch vor der Welt –, und sie werde ihn sofort widerrufen, sobald man ihn ihr abgerungen habe. Was soll man dazu noch sagen, Cromwell?«
    »Ob Gott ihren Eid für gültig erachtet oder nicht, spielt im Augenblick keine Rolle«, gab der Sekretär des Königs zurück. »Und ob sie wagt, ihn zu widerrufen, hängt allein davon ab, wie groß ihre Furcht vor den Folgen wäre. Ihr und Eure Gemahlin seid zu zimperlich, Shelton. Wonach wir hier streben, ist eine vollständige Reform nicht nur des Glaubens, sondern auch des Staatswesens. Habt Ihr Euch wirklich eingebildet, das sei ohne Opfer zu bewerkstelligen? Dann werdet wach! Und entscheidet Euch, ob Ihr zu den Opfern dieser Neuordnung zählen wollt oder lieber doch zu jenen, die ihre Früchte ernten.«
    »Aber Lady Mary ist …«
    »… überflüssig und gefährlich! Das ist sie. Der König wird ungeduldig, Shelton, wie ich schon sagte. Die Fehlgeburt hat ihn tief erschüttert. Und verunsichert. Er braucht dringend einen vorzeigbaren Erfolg bei der Neuordnung dieses Landes und seiner Kirche. Und wenn die Tochter eines Königs ihm nicht bei der Verfolgung seiner politischen Ziele dient, wozu genau dient sie dann überhaupt?«
    Es war einen Moment still. Offenbar war Shelton sprachlos.
    Dann entfernten sich Schritte auf den Steinfliesen der Kapelle. »Ich werde Seiner Majestät berichten«, stellte

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