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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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vielleicht schuldig sein?«
    Sein Bruder winkte ab – mit einer höhnischen Grimasse, für die er eigentlich noch zu jung war. »Todsicher nicht mit Smeaton. Und auch mit sonst niemandem. Es stimmt, was George gesagt hat: Die Königin vergöttert den König.«
    »Dann muss es einen anderen Grund geben, warum sich plötzlich alle gegen sie verschworen haben.«
    »Aber welchen?«, fragte Raymond, und auf einmal drückte seine Miene wieder kindliche Arglosigkeit und Verwirrung aus.
    Nick schaute ihn an und sagte nichts.
    »Du willst, dass ich von allein darauf komme«, mutmaßte Raymond voller Bitterkeit. »Ich soll die Schlüsse ziehen, die du mir unter die Nase hältst, ohne dass ich es auch nur merke, ist es nicht so, Nicholas?«
    Nick fuhr leicht zusammen. So hatte Raymond ihn noch nie genannt, und der Tonfall war exakt der, mit dem auch Sumpfhexe und Brechnuss seinen Namen aussprachen. »Du irrst dich. Ich will dir nichts einflüstern, und ich will dich auch nicht auf meine Seite ziehen. Im Gegenteil, ich will, dass du das Wohlwollen des Königs und deines Onkels Norfolk behältst und in Sicherheit bist, denn du bist mein Bruder. Und ich bin – nach neuem Recht – ein Verräter, weil ich den Eid auf die Suprematsakte nicht geschworen habe. Werde ich verurteilt, wirst du Earl of Waringham. Darum ist es mein größter Wunsch, dass deine Zukunft so sicher ist, wie sie nur sein kann. Aber das wird sie niemals sein, wenn du nicht wagst, die Augen zu öffnen und die Dinge zu sehen, wie sie sind. Und dir einzugestehen, wer die traurigste Figur in dieser ganzen Farce ist.«
    Der Junge schlug den Blick nieder und sah auf seine Hände hinab, die zu Fäusten geballt auf seinen Oberschenkeln lagen. »Du meinst den Mann, der seine eigene Nichte und seinen Neffen ans Messer liefert, um seine Position zu sichern. Meinen Onkel Norfolk.«
    »Nein, Ray. Ich meine den König.«
    Es dauerte fast zwei Stunden, bis George Boleyn zurückkehrte. Er schien leicht zu torkeln, als er über die Schwelle trat, und Nick hatte bis heute nicht gewusst, dass ein Mann so grau im Gesicht werden konnte, ohne bewusstlos zu sein.
    Schweigend verfolgte er den etwas unsicheren Kurs seines Mitgefangenen zum Bett. Dort ließ George Boleyn sich auf die Kante sinken und starrte auf seine Füße hinab, bis Raymond ihm unaufgefordert einen Becher Wein brachte.
    »Danke, mein Junge.« George trank, gab den Becher zurück, räusperte sich und sah auf. »Würdest du … würdest du zum Constable gehen und ihn bitten, mir Pergament und Tinte zu borgen?«
    Raymond nickte. »Gleich, Mylord. Erst will ich hören, wie es Euch ergangen ist.«
    »Was fällt dir ein, Rotznase …«, protestierte George matt. Dann fuhr er sich mit den Händen über die Oberarme, als sei ihm kalt, und schüttelte den Kopf. Es war ein Weilchen still. Schließlich sagte er: »Sie … sie haben mir die Streckbank gezeigt. Mark Smeaton lag darauf. Gott, Waringham, wie er geschrien hat. Ich habe … noch nie im Leben solche Laute gehört. Und wie er aussah. Wie … wie die Gepeinigten auf den Gemälden von der Hölle, so ganz verzerrt und verdreht. Du kannst dir das nicht vorstellen. Aber Cromwell stand dabei … völlig ungerührt. Als sähe er so was jeden Tag.«
    »Vermutlich ist es so«, murmelte Nick.
    »Natürlich hat Smeaton alles gestanden. Er habe Unzucht mit der Königin getrieben, an diesem Tag und an jenem – bei jedem Datum, das Cromwell vorlas, hat er ›Ja‹ gesagt. Obwohl mir nachher eingefallen ist, dass er an mindestens zwei der Tage in Greenwich war und sie in Hampton Court. Aber was spielt das für eine Rolle? Jeder würde gestehen. Jeder  …«
    Mein Vater hat widerstanden und geschwiegen, dachte Nick und schauderte. Was würde er tun, wenn der Tag kam?
    »Ich weiß, wenn sie das mit mir machen, werde ich jede widerwärtige Lüge beschwören, die sie mir in den Mund legen …«, mutmaßte George Boleyn und schüttelte hoffnungslos den Kopf.
    »Was ist es denn, das sie von Euch hören wollen, Mylord?«, fragte Raymond beklommen.
    »Hab ich dir nicht gesagt, du sollst mir Pergament holen gehen? Ich muss Erzbischof Cranmer einen Brief schreiben. Wenn irgendwer uns noch retten kann, dann er …«
    »Ich werde gehen, Mylord«, versprach Raymond. »Gleich.«
    »Jetzt!«, fuhr Boleyn ihn an. »Du bist zu jung, um das zu hören.«
    »Das ist er nicht«, widersprach Nick. »Sag es nur, George. Er ahnt es ohnehin schon. Was will Cromwell von dir hören?«
    »Dass

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