Der dunkle Thron
Regen uns was anhaben könnte, Master Owen. Aber den Gäulen hat das Wetter zu schaffen gemacht …« Er trug den ersten Eimer in Estebans Box und hing ihn in die Halterung neben der gut gefüllten Krippe. »Vor allem Eurem andalusischen Prinzlein hier, Mylord«, fügte er hinzu, als er wieder zum Vorschein kam.
»Kein Wunder«, gab Nick zurück. »Da, wo er herkommt, gibt es nicht oft Regen, habe ich mir sagen lassen.«
»Dann lass uns hoffen, dass wir keinen Jahrgang wetterscheuer und übellauniger Gäule kriegen, wenn du ihn in die Zucht nimmst«, sagte Daniel.
»Wie wetterscheu und übellaunig sie werden, hängt wohl ganz davon ab, wie wir sie ausbilden, oder?«, konterte Nick, trat zu Esteban in die Box und steckte ihm einen schrumpligen kleinen Apfel zwischen die samtigen Lippen.
Esteban kaute geräuschvoll und schnupperte an Nicks Wams und Händen, um zu ergründen, ob vielleicht irgendwo noch ein Apfel versteckt war.
Nick klopfte ihm den Hals und beugte sich dann vor. »Her mit dem Huf, Esteban …«
Huldvoll gestattete der junge Andalusier ihm einen Blick unter den linken Vorderhuf. Nick begutachtete das neue Eisen kritisch und nickte dann. »Perfekt.« Er ließ den Huf los und richtete sich wieder auf. »Greg, sei so gut und sattel ihn mir, wenn du mit dem Füttern fertig bist.«
»Wird gemacht, Mylord.«
»Und wenn du es heute wieder versäumst, seine Mähne auszukämmen, reiß ich dir das Herz raus.«
»Sehr wohl, Mylord.«
Grinsend ging Nick weiter zur nächsten Box, um seinen Inspektionsgang fortzusetzen.
Wie so oft in der Vergangenheit war das Gestüt seine Zuflucht geworden, war der Ort in Waringham, wo er Zerstreuung und manchmal sogar so etwas wie Zufriedenheit finden konnte. Madog und Simon machten ihm keine Vorwürfe, dass er all seine anderen Aufgaben vernachlässigte, im Gegenteil, sie ermunterten ihn, sich der Arbeit in den Stallungen zu widmen. Sie waren in Sorge um ihn, wusste er, aber sie setzten ihm nie zu, sondern ließen ihm das, was er wollte: seine Ruhe.
Es waren schwere Wochen für Nick. Zuerst hatte er es kaum ausgehalten, in Waringham zu sein. In dem Bett zu schlafen – oder meistens nicht zu schlafen –, in welchem sein Bruder gelegen und so unerträgliche Gedanken gedacht hatte, dass er hatte aufstehen und sich im Stall erhängen müssen. An dem Tisch zu sitzen, wo Raymond seinen Abschiedsbrief geschrieben hatte. Oder den neuen Pferdestall zu sehen, den Madog im Hof hatte bauen lassen. Das Gebäude sah ganz anders aus als das alte; die jungen Nadelholzbretter schimmerten noch gelblich weiß, weinten Harztropfen und dufteten, aber dennoch brachte Nick es kaum fertig, es zu betreten.
Immerzu drängte es ihn, aus Waringham zu fliehen, nicht nur um den Erinnerungen zu entkommen, sondern weil es ihm so vorkam, als könne allein Janis seine Dämonen fernhalten und den Schmerz lindern. Er sehnte sich nach ihr, wollte ihre Stimme hören, ihre Hände spüren und ihr Gesicht sehen. Er wollte Trost in ihrer Gegenwart finden und Vergessen in ihrem Bett. Aber er wusste ganz genau, dass er das nicht durfte, sich höchstens dann und wann ein klein wenig davon gönnen konnte. Denn nicht Mitgefühl war es, das er von ihr wollte. Er hatte auch gar kein Recht, sich auf sie zu stützen, hatte sie doch genug damit zu tun, selbst aufrecht zu stehen. Und nicht London, nicht die Krippe oder Janis’ Bett war der Ort, an dem er sein und mit dem er seinen Frieden machen musste, sondern Waringham.
Kurz vor Mittag kehrte er auf die Burg zurück. Alice oder Josephine hatten ihm einen Teller mit Brot hingestellt, das in ausgelassenem Speck gebraten worden war, und einen Becher Ipogras, der noch dampfte. Nick trank dankbar einen Schluck von dem warmen Würzwein und griff eher pflichtschuldig nach dem Brot, als es klopfte und Madog den Kopf durch die Tür steckte. »Nick?«
»Komm rein.«
»Du … hast Besuch.«
Ehe Nick fragen konnte, um wen es sich handelte, hörte er das altvertraute Zetern von der Treppe: »Was denkt Ihr Euch eigentlich, mich wie einen Bittsteller warten zu lassen, Ihr walisischer Lump?«
Nick verzog angewidert den Mund. »Ah. Die böse Sumpfhexe …« Er trank noch einen ordentlichen Zug, um sich zu wappnen, und stellte den Becher dann auf den Tisch.
Im nächsten Moment kam seine Stiefmutter hereingefegt, gefolgt von Brechnuss und Jerome Dudley.
»Du hast dir wohl eingebildet, du könntest dich vor mir verstecken!«, schleuderte Lady Yolanda ihm entgegen.
»Und
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