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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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und weil Nick wusste, dass Jenkins draußen stand und ihm genug Zeit lassen würde, drückte er Janis schließlich in die Kissen hinab und liebte sie zum Abschied, lebenshungrig und verzweifelt, vielleicht um ihr noch ein Kind zu machen, obschon er doch gar nicht wusste, ob sie das wollte, und als sie zum Ende kamen, weinten sie beide.
    »Es hat schon irgendwie alles seine Richtigkeit, weißt du«, vertraute er ihr an, als er sie schließlich zur Tür brachte. »Und ich bin immerhin einunddreißig Jahre alt geworden. Nur …« Er brach ratlos ab.
    »Hatten wir nicht genug Zeit zusammen«, beendete sie den Gedanken für ihn.
    Er strich ihr die Haare aus der Stirn und fuhr ein letztes Mal mit den Lippen über ihre Wange. »Nein«, flüsterte er. »Aber das würde ich in hundert Jahren wahrscheinlich immer noch sagen.«
    Der Tower Hill war schwarz vor Menschen, und als die Wachen mit den beiden Verurteilten und ihren jeweiligen Beichtvätern ins Freie kamen, erhoben sich Gejohle und Sprechchöre.
    »Gott schütze Euch, Mylord!«, riefen sie.
    »Wir werden für Euch beten!«
    Und die Spaßvögel, die es bei jeder Hinrichtung gab, fehlten auch heute nicht: »Hoffentlich haben sie im Paradies ein paar Gäule für Euch!«
    Nick musste grinsen. Er hätte nie gedacht, dass er das konnte, denn seine Knie waren butterweich und die Monstrosität des Augenblicks drohte ihm die Luft abzuschnüren. Trotzdem hob er den Kopf und lächelte, und die Menge jubelte.
    »Wa-ring-ham, Wa-ring-ham!«, skandierte sie, und »Lang lebe Prinzessin Mary!«
    »Es ist eine bodenlose Frechheit«, knarzte Norfolk hinter Nick. »Mein Leben habe ich in den Dienst des Königs und seiner Untertanen gestellt, und sie haben nicht ein einziges Wort für mich übrig.«
    Nick dachte, dass er sich bessere Gesellschaft zum Sterben hätte vorstellen können als diesen alten Grantler, der selbst auf dem letzten Weg nicht aufhören konnte, der Welt sein Missfallen zu bekunden.
    Jenkins schien Ähnliches zu denken, denn er antwortete unverblümt: »Seid lieber froh, Euer Gnaden. Diese Stadt ist nicht gerade gut auf Euch zu sprechen. Besser, sie bejubeln Waringham, als wenn sie Euch mit Hundescheiße bewerfen.«
    Norfolk war so sprachlos, als wäre sein Kopf schon gefallen.
    Unter den zunehmend frenetischen Sprechchören der Menge gelangten sie zu der erhöhten Richtstätte.
    »Mylords, ich werde eine Münze werfen, und der Gewinner entscheidet, ob er als Erster an der Reihe sein will«, erklärte Constable Gage. Er tat geschäftsmäßig, aber seine Stimme bebte. Er hatte noch nicht viele Lords hingerichtet, und er fürchtete sich vor den Londonern. Davor, was sie tun würden, wenn das Beil gefallen war.
    »Mylord of Norfolk, Kopf oder Kreuz?«, fragte der Constable und hielt einen Penny hoch.
    »Kopf«, schnauzte der alte Herzog.
    Der Constable warf, fing die Münze mit dem Handrücken auf und schloss einen Moment die Linke darum. Dann schaute er nach. »Kreuz. Waringham, Ihr habt die Wahl.«
    »Dann gehe ich als Erster.« Er nickte dem Bruder seiner Stiefmutter knapp zu. »Norfolk.«
    »Waringham.«
    Nick stieg die Stufen zum Block hinauf. Fünf, wusste er. Simon Neville, der mit ihm seine letzte Nacht durchwacht und mit ihm gebetet hatte, folgte ihm wie ein Schatten. »Geh in Frieden, Nick. Du bist gewappnet mit den Sakramenten, und Jesus Christus erwartet dich mit offenen Armen. Es segne dich der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.«
    »Amen.« Nick bekreuzigte sich. »Hab Dank, Simon.«
    »Vergebt Ihr mir?«, fragte der Henker hinter der dunkelbraunen Ledermaske. Er klang erstickt, aber nicht so, als sei er noch im Stimmbruch.
    »Von Herzen«, antwortete Nick, so wie Thomas More es getan hatte, und steckte dem Henker zum Zeichen der Versöhnung eine Münze zu, wie es üblich war.
    Der Constable riss ihm mit unnötigem Schwung das Wams über die Schultern herab. »Das wär’s, Waringham. Kniet Euch hin.«
    »Habt Ihr nicht eine Kleinigkeit vergessen, Sir John?«, fragte Nick.
    »Was denn?«
    »Jeder Verurteilte hat das Recht auf ein paar letzte Worte, richtig?«
    John Gage brummte angewidert. »Dann fasst Euch kurz.«
    Das hättest du wohl gern, dachte Nick, hob den Kopf und holte tief Luft, als oben auf dem Wehrgang des Tower die Kanone donnerte.
    Nick, der Henker, der Constable und alle auf dem Tower Hill versammelten Londoner zuckten erschreckt zusammen.
    Als das rollende Dröhnen verebbt war, sagte Nick: »Das war ein wenig verfrüht, scheint

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