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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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mir …«
    Es gab verhaltenes Gelächter, doch ehe Nick zum zweiten Mal ansetzen konnte, wurde eine weitere Kanone abgefeuert.
    Irritiert schaute Nick zur Festungsmauer hinauf, und Tausende Augenpaare folgten seinem Blick. Dort oben stand ein Mann und winkte wild mit beiden Armen, um die Aufmerksamkeit des Constable auf sich zu ziehen. Dann legte er die Hände links und rechts neben den Mund, damit seine Stimme weiter trüge, und brüllte: »Der König ist tot!«
    Jerome Dudley, erkannte Nick.
    Auf dem Tower Hill wurde es so still, dass man das Knirschen des Schnees unter den zahllosen Füßen hören konnte.
    »Wie war das?«, fragte der Constable tonlos.
    »Er sagte, der König ist tot«, antwortete Simon Neville.
    »Ich komme direkt aus Whitehall!«, brüllte Jerome. »Der König starb dort in den frühen Morgenstunden, lässt der Kronrat verlautbaren! Alle Hinrichtungen sind mit sofortiger Wirkung auszusetzen; die Verurteilten sind begnadigt! Gentlemen, der König ist tot!«
    Nick wandte den Kopf. Merkwürdigerweise war der einzige Mann, dem er ins Gesicht schauen konnte, der Duke of Norfolk.
    »Der König ist tot, Waringham«, murmelte dieser erschüttert.
    »Lang lebe König Edward«, erwiderte Nick und nahm dem Henker die Münze aus der erschlafften Pranke. »Tut mir leid«, raunte er ihm zu. »Vielleicht ein andermal.«
    »Das will ich doch nicht hoffen, Mylord«, entgegnete der Scharfrichter.
    »Nein, ich auch nicht«, musste Nick einräumen. »Obwohl: Um meine letzten Worte ist es fast ein bisschen schade …«

Vierter Teil
1553

Waringham, Mai 1553
    »So, so. Das habe ich mir also darunter vorzustellen, wenn Francis of Waringham und Millicent Howard zusammen Homer lesen …«
    Das junge Paar fuhr erschrocken auseinander.
    »Vater! Ihr seid wieder da …« Francis sprang von der Bank im Rosengarten auf und schloss seinen Vater ungestüm in die Arme. Seine Wangen waren gerötet – wobei nicht auszumachen war, ob die Frühsommerhitze, die Nähe seiner Liebsten oder Verlegenheit über das unverhoffte Auftauchen seines Vaters dies hervorgerufen hatte –, und seine blauen Augen strahlten. Auch mit achtzehn hatte Francis seinen vorbehaltlosen Enthusiasmus für alles, was die Welt ihm zu bieten hatte, noch nicht abgelegt.
    »Grundgütiger, Francis. Du trägst einen Ohrring?«
    Der junge Mann griff sich an den kleinen Goldreif, der sein rechtes Ohrläppchen zierte. »Oh, das tragen jetzt alle, weißt du.«
    »Aber du hast beschlossen, dich dem Diktat der Mode zu unterwerfen, solange du mich auf dem Kontinent wusstest. Sicherheitshalber.«
    Francis lachte. »Wie war die Überfahrt?«
    »Fürchterlich«, gestand Nick mit einer kleinen Grimasse. »Ich möchte diese Reise um nichts in der Welt missen. Sie war alle Strapazen wert, sogar die Überfahrt. Aber ich sage dir ehrlich, Francis, wenn ich nie wieder im Leben einen Fuß auf eine Schiffsplanke setzen muss, werde ich nicht unglücklich sein.«
    »Warum muss England auch eine Insel sein«, warf Millicent mit einem kleinen Koboldlächeln ein und erhob sich ebenfalls von der Bank, die von einem Rosenbogen überschattet war, der schon die ersten Blüten aufwies. Sie knickste. »Willkommen daheim, Mylord.«
    »Danke, mein Kind.«
    »Lady Waringham ist wohl?«
    Er nickte. »Ich denke, sie hat es noch mehr genossen als ich, Paris und Florenz und Rom zu sehen.«
    »Das glaube ich gern. Zu reisen war immer ihr sehnlichster Wunsch.« Millicent schien nichts Besonderes daran zu finden, dass sie von dieser heimlichen Sehnsucht gewusst hatte, denn sie nahm nicht nur in Francis’ Herz einen großen Platz ein, wusste Nick. Auch seine Frau liebte das Howard-Mädchen sehr, hatte sie in Millicent doch die Schülerin gefunden, auf die sie immer gewartet hatte: eine verwandte Seele, die es genauso nach Wissen und nach Poesie dürstete wie sie selbst.
    »Geh nur hinein«, schlug Nick vor. »Sie wird sich freuen, dich zu sehen, denn sie hat euch alle schrecklich vermisst. Und sicher will sie auf der Stelle hören, welchen Schabernack die Mädchen mit ihrer neuen Lehrerin getrieben haben …«
    »Sie waren folgsam und fleißig wie immer, Mylord«, behauptete Millicent, die unbändig stolz gewesen war, als Janis ihr für die Dauer ihrer Reise den Unterricht der Mädchen übertragen hatte.
    »Ja, das glaub ich aufs Wort«, gab Nick trocken zurück.
    Millicent lächelte ihm zu und lief dann eilig und leichtfüßig den Pfad entlang, so als könne sie es kaum erwarten.
    Nick sah ihr

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