Der dunkle Thron
willkommen.«
»Stanley«, grüßte Nick, nahm Barett und Mantel ab und drückte sie ihm in die Finger. »Wo ist Lady Mary?«
Stanley ruckte das Kinn zur angrenzenden Tür. »Sie ist gerade von der Messe zurück und hat ein paar Gäste zum Frühstück mitgebracht.«
Stimmengewirr drang aus der Halle, und es hörte sich nach einer größeren Gesellschaft an. Nick musste grinsen. »Kein Wunder, dass der Kronrat Mary ihre Ausnahmegenehmigung zum Feiern der heiligen Messe entziehen will, wenn sie halb Hertfordshire dazu einlädt …«
Der junge Gentleman lachte leise. »Genau das hat mein Vater auch gesagt, Mylord.«
Das konnte Nick sich unschwer vorstellen. Stanleys Vater war der Earl of Derby und kein Freund der Reform. »Wie geht es ihm?«
»Gut. Seit Northumberland versucht hat, ihm diese abgekartete Anklage wegen Verrats anzuhängen, hat er sich auf unsere Güter in Lancashire zurückgezogen, und er sagt, das Landleben bekomme ihm weitaus besser als der Irrsinn bei Hofe.«
Nick dachte einen Moment nach. »Wo ist er jetzt?«
»Ich bin nicht sicher«, bekannte der junge Mann. »Vermutlich in Barlow.«
Hundertfünfzig Meilen, schätzte Nick. Vier Tagesritte für eine Strecke, drei, wenn man sich und sein Pferd schinden wollte. »Reitet hin. Wenn er dort nicht ist, sucht ihn. Bringt ihn her.«
Stanley machte große Augen. Dann bekreuzigte er sich. »Jesus, erbarme dich … Der König ist tot.«
»Nein, noch nicht, soweit ich weiß. Aber es wird nicht mehr lange dauern. Sagt Eurem Vater, wenn er will, dass Prinzessin Mary zu ihrem Recht kommt, soll er lieber nicht in Barlow hocken bleiben und darauf warten.«
»Verstehe. Ich reite los, sobald meine Wache um ist.«
Nick schüttelte den Kopf. »Wir dürfen keine Zeit verlieren. Stellt meinethalben den Küchenjungen hier an die Tür, aber brecht sofort auf.«
Mary saß auf dem Ehrenplatz am Kopf der langen Tafel, und nicht weniger als zwanzig Gäste hatten sich um sie geschart. Zu ihrer Rechten war ihr Kaplan und Beichtvater Miguel Laínez, ein Jesuit aus Navarra, den ihr Cousin Philipp, der Sohn des Kaisers, ihr geschickt hatte und den sie sehr schätzte. Landeigner aus ganz Hertfordshire bildeten den Rest der Gesellschaft, die dem alten Glauben den Vorzug gaben und dafür bereitwillig an den letzten Ort in England pilgerten, wo noch die Messe gefeiert wurde. Manche von ihnen brachen mitten in der Nacht auf, um rechtzeitig in Hunsdon zu sein.
Nick trat vor die Tafel und verneigte sich vor Mary. »Hoheit.«
Niemand zischte wütend oder wies ihn zurecht.
»Lord Waringham«, sie lächelte, aber ihr Blick war voller Fragen. »Ein früher Besuch.«
»Der einen dringenden Anlass hat«, erwiderte er. »Aber es besteht keine Notwendigkeit, Euch aus der Mitte Eurer Gäste zu reißen.«
»Dann leistet uns Gesellschaft«, lud sie ihn höflich ein, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
Er nickte. Die Besucher rückten eilig zusammen, und Nick landete zwischen einem gewissen Lord Swinton und seiner vollbusigen Gemahlin, die ihm in einiger Ausführlichkeit von ihrer Schafzucht und den missratenen Töchtern ihrer Nachbarn erzählten. Sie waren typische Vertreter einer neuen Klasse von Landeignern, erkannte Nick bald. Swinton hatte als Sohn eines Stadtrichters in Cambridge das Licht der Welt erblickt, hatte nach der Aufhebung der Klöster billiges Land ergattert, ein paar Schafe gekauft und die Tochter eines verarmten Landjunkers ritterlicher Abstammung geheiratet, was ihm bei der feineren Gesellschaft der Gegend Tür und Tor geöffnet hatte. Nick wusste nie so recht, wo er solche Menschen einordnen sollte; sie waren weder bürgerlich noch adlig, sondern befanden sich irgendwo im Niemandsland der Gesellschaft. Aber sie empfanden dies keineswegs als Mangel, waren im Gegenteil selbstbewusst und stolz auf das, was sie erreicht hatten. Zu Recht, fand Nick.
Da viele der Gäste genau wie er einen stundenlangen Ritt hinter sich hatten und natürlich nüchtern zur Messe gegangen waren, hatte Mary ein üppiges Frühstück auffahren lassen. Es gab frisches Brot und Butter, eingelegten Aal und geräucherte Makrelen, süße Waffeln mit eingekochten Beeren, Wildpastete und Honigkuchen. Nick langte schamlos zu und nahm von allem, was die Diener ihm reichten, denn er war ausgehungert.
Es ging schon fast auf Mittag, bis die Gäste sich allmählich verabschiedeten, und als die letzte Kutsche aus dem Hof gerumpelt war, sagte Mary: »Diese Sonntage sind mir immer eine Freude. Es tut so
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