Der dunkle Thron
riesig vorgestellt. Und so abweisend.«
Francis bezahlte die Bootsleute und bedankte sich. Dann folgte er Millicents Blick und legte einen Arm um ihre Taille. »Hm. Schon furchteinflößend. Aber wir bleiben ja nur ein halbes Stündchen.« Er wies nach links. »Da geht es zum Tor.«
Es war ein drückend heißer Tag, und dem Fluss entstieg ein widerwärtiger Gestank, wie immer zu dieser Jahreszeit. Auf dem Wasser war viel Betrieb, Schiffe und Lastkähne waren in beide Richtungen unterwegs, und die kleinen Wherrys kreuzten frech dazwischen einher, um Fracht oder Passagiere von einem Ufer zum anderen zu bringen.
Francis und Millicent gelangten an das Haupttor des Tower of London, wo zwei Yeoman Warders Wache standen.
»Francis of Waringham«, stellte dieser sich vor, ehe irgendwer ihn dazu aufforderte. »Wir möchten zum Duke of Norfolk.«
»Weswegen?«, fragte der rechte der Wächter streng.
Francis zog verwundert die linke Braue hoch, sagte aber nicht: Was geht das dich an?, sondern erteilte höflich Auskunft: »Nur ein Familienbesuch, Sergeant. Norfolk ist der Großvater meiner Frau.«
»Wirklich?«, höhnte der Sergeant. »Na, dann nur zu. Aber ich an Eurer Stelle würde lieber nicht mit großväterlicher Herzensgüte rechnen …«
Sein Gefährte lachte.
»Was hat er damit gemeint, Francis?«, fragte Millicent entrüstet, während sie zwischen den beiden Ringmauern entlanggingen, bis sie am Wakefield Tower den Durchlass in den Innenhof erreichten.
»Dass dein Großvater ein alter Griesgram ist, schätze ich«, antwortete er.
»Ich weiß«, gab sie seufzend zurück. »Wer kann es ihm verdenken? Seit fast sieben Jahren schuldlos eingesperrt …«
Francis wusste, dass die Verbitterung und der herbe Charme des alten Norfolk weiter in die Vergangenheit zurückreichten, aber er wies nicht darauf hin.
Im Innenhof der Festungsanlage ging es geschäftig zu: Stallburschen führten die Pferde einer Schar von Ankömmlingen fort, und die feinen Livreen der Diener ebenso wie die edlen Rösser deuteten darauf hin, dass es sich um vornehme Lords handelte, selbst wenn Francis die Wappen nicht erkannte. Vor dem White Tower war ein Fuhrwerk mit Schweinehälften umgekippt, und der Kutscher prügelte auf seinen glücklosen Gehilfen ein, während zwei Mastiffs unter ohrenbetäubendem Gebell um eine der Schweinehälften rauften, obwohl sie doch die freie Auswahl hatten. Und wohin man blickte, sah man Yeoman Warders in ihren blau-roten Uniformen. Mindestens jeder zweite schien eine Hakenbüchse zu tragen.
Trotzdem gelangte das junge Paar unbehelligt in den Beauchamp Tower, und die einzelne Wache vor der Tür oben winkte sie desinteressiert durch.
Ein wenig zaghaft klopfte Francis, öffnete und trat über die Schwelle, Millicent an der Hand. Er verbeugte sich vor dem uralten Mann, der auf einem Stuhl am Fenster saß.
»Francis of Waringham, Euer Gnaden.«
»Das ist nicht zu übersehen.«
»Und meine Gemahlin, Eure Enkelin.«
Die dunklen Augen, die tief in den Höhlen lagen, ruhten auf Millicent. »Du warst also all die Jahre seit der Hinrichtung deines Vaters in Waringham.«
Sie knickste scheu. »Auf der Schule, Großvater.«
Das entlockte ihm nur ein abschätziges Brummen. »Er war ein Schwachkopf, dein Vater, weißt du. Er hätte nicht zu sterben brauchen.«
»Was immer er gewesen sein mag, ich bin sicher, er war dem König treu und hat nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt.«
»Kein Mann tut das«, schnauzte er sie an. »Die meisten hängen ihr Mäntelchen nach dem Wind und haben nur ihren eigenen Vorteil im Sinn. Ihr Weiber erst recht. Aber er?« Norfolk schüttelte langsam das Haupt mit dem spärlichen weißen Haar. »Ich schwöre bei Gott, ich weiß nicht einmal, was er eigentlich wollte …«
Millicent wechselte einen Blick mit Francis und knickste nochmals vor ihrem Großvater. »Wir sind gekommen, um Euch zu danken, dass Ihr unserer Vermählung zugestimmt habt, Mylord. Und das tue ich hiermit: Ich danke Euch von Herzen. Aber ich wünschte, Ihr würdet aufhören, meinen Vater zu beschimpfen.«
Er wandte den Kopf ab, als hätte er genug von ihrem Besuch. »Er war ein Schwachkopf …«, wiederholte er leise und stierte auf die Richtstätte hinab. »Genau wie Euer Vater, Söhnchen.«
Francis musste die Zähne zusammenbeißen, doch er antwortete höflich: »Wir haben gesagt, wozu wir hergekommen sind, Mylord. Also werden wir uns nun wieder verabschieden, da unser Besuch Euch so offensichtlich Verdruss
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