Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
Vom Netzwerk:
dienten sie dazu, einen abgehackten Kopf an Ort und Stelle zu halten. Das dunkle Barett saß auf einer hohen Stirn, das kurze Haar und der Bart waren schwarz, genau wie die Augen, die scharf und durchdringend wirkten, der Mund war klein, das Kinn energisch. Es war ein Gesicht, das einem Respekt einflößte.
    »Ich bin nicht sicher, Euer Gnaden«, bekannte Francis schließlich wahrheitsgemäß. »Er wollte Lady Mary besuchen, sagte meine Stiefmutter. Also vermutlich in Hunsdon.«
    Northumberland ließ ihn nicht aus den Augen. »Dort ist er nicht. Und Lady Mary ebenso wenig.«
    »Ich fürchte, dann kann ich Euch nicht weiterhelfen, Mylord.« Francis gab sich keine Mühe, Bedauern zu heucheln.
    Northumberland kam zwei Schritte näher. Er trug auf Hochglanz polierte Halbschuhe mit goldenen Schnallen. »Dies ist ein sehr ungünstiger Zeitpunkt, um mich auf den Arm zu nehmen, Waringham. Heute Morgen ist der König gestorben.«
    Seine Söhne zogen erschrocken die Luft ein, und Francis senkte den Kopf. »Ruhe in Frieden, Edward«, murmelte er.
    »Noch ist es ein Geheimnis«, fuhr der Herzog fort. »Denn bevor wir es bekannt machen, müssen wir Lady Marys habhaft werden, um einen reibungslosen Übergang auf die neue Regierung zu gewährleisten. Ich bin überzeugt, Ihr werdet Euch nicht verweigern, wenn ich Euch auffordere, dem Kronrat bei der Umsetzung des Testaments zu helfen, welches der König hinterlassen hat, oder?«
    Francis war erst achtzehn Jahre alt und, so behauptete sein Vater, ob seiner Bereitschaft, immer das Beste von jedem zu glauben, manchmal ein Einfaltspinsel. Doch die angespannten Mienen seiner beiden Freunde warnten ihn nun, sich zu keiner vorschnellen Zusage hinreißen zu lassen. Er straffte die Schultern. »Ich glaube, das müsst Ihr mir ein wenig genauer erklären.«
    Northumberland lachte in sich hinein. Dann wandte er sich an den älteren seiner Söhne. »Robin, du nimmst zwanzig Männer, reitest nach Hertfordshire und machst dich auf die Suche nach Lady Mary. Überbring ihr die Nachricht vom Tod ihres Bruders. Richte ihr aus, der Kronrat erwarte sie hier vor Ende der Woche zur Vorbereitung der Trauerfeierlichkeiten. Und falls der Earl of Waringham bei ihr ist – worauf ich bereitwillig meine rechte Hand verwetten würde – und ihr anraten sollte, die Anweisung des Kronrats zu missachten, dann sag ihm, dass sein Sohn und Erbe uns hier im Tower bis auf Weiteres Gesellschaft leistet.«
    »Es ist nicht mehr weit«, raunte Nick Mary zu.
    Augenblicklich straffte sie die Schultern. »Es besteht kein Anlass, mich wie einen alterslahmen Gaul zu behandeln, Mylord. Wie Ihr wisst, schätze ich Bewegung an der frischen Luft.«
    Er nickte wortlos, aber er wusste, sie war erschöpft. Und das war kein Wunder. Sie waren seit drei Tagen unterwegs – genau genommen auf der Flucht –, und auch wenn sie nachts Obdach auf den Gütern treuer Freunde gefunden hatten, war es eine Strapaze, unter der sengenden Sonne von morgens bis abends im Sattel zu sitzen. Und mit Marys Gesundheit hatte es während der letzten Jahre, da sie zunehmend ins Visier der protestantischen Regierung geraten war, nicht immer zum Besten gestanden. So unbeugsam und stark ihr Wille auch sein mochte, ihre Konstitution war es nicht, und genau wie vor zwanzig Jahren wurde sie krank, wenn der Druck zu groß wurde.
    Doch wie üblich gestattete sie sich nicht, Schwäche zu zeigen. Sie wandte sich an Robert Rochester, der seit vielen Jahren ihrem Haushalt angehörte: »Sir Robert, seid so gut, reitet voraus nach Kenninghall und lasst alles für unsere Ankunft vorbereiten.«
    »Ich werde natürlich tun, was Ihr wünscht, Madam«, antwortete der alte Gentleman, »aber offen gestanden bliebe ich lieber an Eurer Seite, bis wir alle sicher in Kenninghall sind.«
    »Wobei sich die Frage stellt, wie sicher wir dort sein werden«, warf einer der jüngeren Männer ihrer Wache ein.
    Mary hob die Hand, um die Debatte zu beenden. »Darüber können wir reden, wenn wir dort sind. Aber einen sichereren Ort können wir heute gewiss nicht mehr erreichen, denn …«
    »Da kommen Reiter«, unterbrach Nick.
    Ohne dass eine Absprache nötig gewesen wäre, ritten er und Rochester eine Länge vor, um Mary abzuschirmen.
    Alle lauschten angespannt. Die Straße führte hier durch ein dichtes Gehölz, und eine Biegung versperrte den Reisenden den Blick auf die sich nähernden Reiter, aber sie hörten, dass es eine größere Schar war, die sich ihnen im Galopp

Weitere Kostenlose Bücher