Der dunkle Thron
näherte.
»Wer immer sie sind, sie haben es eilig«, brummte Rochester und warf Nick einen grimmigen Blick zu.
Nick lockerte das Schwert in der Scheide, und im nächsten Moment kamen knapp zwei Dutzend Reiter in einer beachtlichen Staubwolke in Sicht. Der vordere hob die Hand, und sie kamen keine fünf Schritte vor ihnen zum Stehen.
Robin Dudley, erkannte Nick mit sinkendem Herzen. Er hatte immer eine Schwäche für diesen jungen Heißsporn gehabt, aber das änderte nichts an den Tatsachen: Robin Dudley war Northumberlands Sohn und der Schwager des bedauernswerten Kindes, das Northumberland auf den Thron zu setzen gedachte.
Robin sprang aus dem Sattel, ging gemessenen Schrittes zwischen Nick und Rochester hindurch und verneigte sich vor Mary. »Madam.«
»Dudley«, grüßte sie kühl. Ihrer Stimme war anzuhören, dass sie im Gegensatz zu Nick keine Sympathien für den jungen Mann niederzuringen hatte. Für Mary war er nur ein Ketzer und der Sohn ihres Feindes. Nicht zum ersten Mal beneidete Nick sie um ihre unerschütterlichen Gewissheiten.
Robin Dudley räusperte sich unbehaglich, sah ihr aber tapfer ins Gesicht. »Ich habe Euch eine Botschaft des Kronrats zu überbringen, Mylady.«
Sie saß kerzengerade in ihrem Damensattel, die Hände lose auf dem Knauf verschränkt, und ließ den Boten nicht aus den Augen. »Mein Bruder ist tot.«
Dudley nickte.
Nicht einmal ein Blinzeln verriet ihre Erschütterung. »Wann?«, fragte sie nur.
»Vor drei Tagen.«
»An St. Dominica …«, murmelte sie und bekreuzigte sich.
Sie hatte es gewiss nicht als Provokation gemeint, aber Robin entgegnete nachdrücklich: »Am sechsten Juli, Madam«, denn die Reformer betrachteten die Verehrung von Heiligen als Aberglauben.
Sie schien ihn gar nicht gehört zu haben. »Ruhe in Frieden, mein armer kleiner Bruder. Möge Gott dir deine Irrwege vergeben, da du vom Satan und seinen Dienern verführt wurdest und zu jung warst, um es besser zu wissen.«
Robin stieg die Zornesröte in die Wangen, aber sein Tonfall blieb höflich. »Der Kronrat ersucht Euch, umgehend nach London zur Beisetzung des Königs zu eilen.«
Mary brauchte noch einen Moment, ehe sie antworten konnte. Dann sah sie stirnrunzelnd auf ihn hinab und erwiderte: »Ich fürchte, das kann ich nicht tun, Sir. Ihr dürft Eurem Vater ausrichten, ich bin zwar nur eine Frau, aber kein Schaf, das sich freiwillig zur Schlachtbank führen lässt. Guten Tag, Dudley.«
Nick sah förmlich, wie der junge Mann seinen Mut zusammennahm. Robin ballte für einen Moment die Fäuste, öffnete sie wieder und erklärte: »Für den Fall dieser Antwort habe ich Befehl, Euch nach London zu eskortieren, Mylady.«
Nick und Rochester saßen ab, stellten sich links und rechts neben Mary und zogen die Klingen. »Daraus wird nichts, Söhnchen«, brummte Rochester.
Robin sah von ihm zu Nick und weiter zu Marys übrigen Begleitern: einem Dutzend Damen, zwei Priestern und einem Jesuiten, drei weiteren Graubärten wie Rochester und acht Wachen. Auf seinen unauffälligen Wink hin saßen seine Männer ab: zwanzig Haudegen in voller Rüstung. Drohend nahmen sie hinter ihm Aufstellung.
»Was wollt Ihr, Mann?«, fragte Robin den alten Rochester gedämpft. »Ein Blutbad? Ich habe meine Befehle unmittelbar vom Kronrat, versteht Ihr? Ich muss sie befolgen, ganz gleich, was es kostet, sonst bin ich ein Verräter.«
»Du kleiner, hergelaufener …«, begann Rochester wütend, aber Nick fiel ihm ins Wort.
»Ihr irrt Euch, Dudley. Denn ganz gleich, was Euer Vater sich ausgedacht hat: Prinzessin Mary ist nach dem Gesetz und dem Testament ihres Vaters die Thronerbin. König Edward war noch nicht mündig und hatte deswegen keine Befugnis, diese Thronfolge zu ändern. Der Kronrat erst recht nicht. Deswegen seid Ihr ein Verräter, wenn Ihr Eure Befehle ausführt.«
»Ich schätze, Mylord, die Verlierer werden letztlich die Verräter sein, nicht wahr«, gab Robin halb spöttisch, halb beklommen zurück. Über die Schulter sagte er: »Sergeant.«
Seine Männer waren hervorragend ausgebildet. In Windeseile hatten sie einen Ring um die Prinzessin und ihre Entourage gezogen.
Robin sah zu Nick. »Seid vernünftig, Mylord, ich bitte Euch inständig. Hier muss heute kein Blut fließen. Ihr habt keine Chance, Ihr müsst Euch ergeben.«
Nick hob seine Waffe und setzte ihm die Schwertspitze an die Kehle. Dieser Junge war wirklich der Letzte, dessen Blut er vergießen wollte, aber nichts in seinem Gesicht verriet seinen
Weitere Kostenlose Bücher