Der dunkle Thron
Durham, der mit Laura am Tisch saß und schweigend zugeschaut hatte, während John den armen Tropf verarztete.
»Ihr, Master Durham?«, fragte Potter ebenso nervös wie ehrfürchtig. Der mächtige Kaufherr gehörte in eine Welt, die der seinen fern war und vor der er sich für gewöhnlich hütete: Master Durham war Stadtrat und Gildemeister, eine Autorität – die Gegenseite.
Doch Philipp nickte ungerührt. »Du kannst als Knecht auf das Landgut meines Bruders in Sevenelms gehen oder als Lagerarbeiter bei mir in der Ropery anfangen, such es dir aus.«
»Aber … aber warum solltet Ihr das tun, Sir?«
»Weil das, was dir im Namen dieser Stadt zugefügt wurde, Unrecht war. Es ist nur meine Pflicht, zu tun, was ich kann, um es wiedergutzumachen.«
Potter sah unsicher von ihm zu Laura und schließlich zu John. Dann stand er auf, verbeugte sich vor den feinen Herrschaften und setzte vorsichtig seinen Hut auf, um den verräterischen Verband wenigstens teilweise zu verdecken. »Habt Dank. Gott segne Euch, Doktor. Und Euch ebenfalls, Master Durham, vorausgesetzt, Ihr bezahlt mich anständig und nutzt meine Notlage nicht aus, um mich mit einem Hungerlohn abzuspeisen.«
Philipp konterte mit einem kleinen Lächeln: »Bei mir bekommt jeder, was er verdient.«
Gilbert Potter wirkte nicht übermäßig beruhigt. »Wann kann ich anfangen?«
»Komm morgen Abend bei Dämmerung. Vorläufig ist es wohl besser, wenn dich niemand auf der Straße sieht.«
Der verstümmelte junge Mann grinste, und sie erhaschten einen Blick auf den unbekümmerten Taugenichts, der er vermutlich bis letzte Woche gewesen war. »Da habt Ihr bestimmt recht, Master. Also dann. Auf morgen.«
Sie warteten, bis sie unten die Tür zufallen hörten, und dann murmelte Laura seufzend: »Ich gebe ihm eine Woche. Dann wirst du ihn betrunken und mit den Fingern in der Geldschatulle erwischen.«
»Gut möglich«, räumte Philipp ein. »Aber wir können nichts anderes tun, als ihm eine Chance zu geben. Wenn der Lord Mayor vor Northumberland einknickt, dürfen wir es nicht auch tun.«
Sie nickte wortlos.
»Wie sieht es im Stadtrat aus?«, fragte John. »Wird er Jane Grey weiterhin unterstützen?«
Philipp hob die Schultern. »Er ist gespalten. Die eine Hälfte glaubt, dass König Edwards Testament um jeden Preis geachtet und befolgt werden muss. Die andere Hälfte glaubt, dass Mary die Krone zusteht und Northumberland ein Verräter ist.«
»Es wäre gut, wenn sie sich bald einigen«, befand Laura. »London könnte in diesem Kampf das Zünglein an der Waage sein.«
»Schon, Laura, aber so mächtig London auch sein mag, kann es gegen den geschlossenen Kronrat in dieser Sache nichts ausrichten«, widersprach ihr Mann.
»Die Frage ist, wie geschlossen der Kronrat noch ist«, murmelte John versonnen.
»Und wie geschlossen er dann noch wäre, wenn irgendwer hingeht und den Lords klarmacht, dass Mary überall im Land zur Königin ausgerufen worden ist, nur hier nicht«, fügte Laura hinzu.
»Du scheinst sonderbar versessen auf eine papistische Königin zu sein.« Philipps untypische Gereiztheit verriet, wie zerrissen er selbst war.
Laura schüttelte den Kopf. »Mir wäre Elizabeth lieber als Mary, glaub mir. Aber es ist nicht an uns, die Erbfolge zu bestimmen.« Sie wies zur Tür der Halle, durch die Gilbert Potter eben verschwunden war. »Jedenfalls ist es ein Beweis dafür, wie erbärmlich Jane Greys Thronanspruch ist, wenn man zu solchen Mitteln greifen muss, um die Opposition zum Schweigen zu bringen. Northumberland und der Kronrat rütteln an den Grundfesten des Gesetzes, Philipp. Sie sind Verräter. Und es wird Zeit, dass diese Stadt sich von ihnen lossagt.«
Ein wenig unglücklich sah er in ihre blauen Waringham-Augen, die vor Entrüstung beinah zu funkeln schienen, und er antwortete: »Manchmal kann man dir noch gut anmerken, dass du dem alten Adel entstammst, Mistress Durham. Mary Tudor steht für die alte Ordnung, egal ob in politischer oder religiöser Hinsicht. Jane Grey steht für alles, was neu und modern ist, und sie könnte Königin von Londons Gnaden sein …«
Aber auch John schüttelte jetzt den Kopf. »Nur Männer wie du denken so, die in dieser Stadt die Macht haben und von einem Ausbau dieser Macht profitieren könnten. Aber mach dir nichts vor, Philipp. Die Londoner Seele will Mary Tudor.«
Zwei Tage hatte der Duke of Northumberland mit seiner Söldnerarmee in Cambridge gewartet, ehe er sich Richtung Osten in Bewegung setzte. Als die
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