Der dunkle Thron
Nachricht nach Framlingham kam, zogen Nick, Madog und der Earl of Derby ihm entgegen. Sie verfügten über rund fünftausend Mann, aber wie Nick Madog erklärt hatte, war ihre zahlenmäßige Überlegenheit trügerisch, da ihre Armee sich hauptsächlich aus kleinen Landeignern und Bauern aus Kent und East Anglia zusammensetzte, die ebenso unerfahren in der Kriegsführung waren wie ihre Kommandanten.
Es war ein mörderisch heißer Tag Mitte Juli, und eine drückende Schwüle lastete auf dem Flachland von Suffolk. Ihr Marsch war strapaziös. Sie kamen nur im Schneckentempo voran und verloren bei der Durchquerung eines Flusses zwei Proviantwagen.
»Fabelhaft«, kommentierte Nick, als der Sohn des Earl of Derby ihm die Schreckensnachricht brachte. »Ich hoffe, unsere Männer sind auch gewillt, mit leerem Magen für die rechtmäßige Königin zu kämpfen …«
»Ich bin sicher, das sind sie, Mylord«, erwiderte der junge Stanley feierlich.
Nick war weniger zuversichtlich, aber trotz der Mühen des Tages hielt die Moral ihrer Truppen – fürs Erste zumindest. Bei Einbruch der Dämmerung gelangten sie zu einer flachen Senke, wo sich ein Dorf um die Ruine eines einstmals offenbar großen und prächtigen Klosters schmiegte, und auf den Weiden jenseits der verfallenen Abtei lagerte Northumberlands Armee.
»Wo sind wir hier?«, fragte Madog.
»Das dürfte Bury St. Edmunds sein«, tippte Nick, aber ganz sicher war er auch nicht.
Schweigend saßen sie nebeneinander im Sattel und blickten zu der feindlichen Armee hinüber. Ordentliche weiße Zelte leuchteten im Zwielicht, Wachfeuer umgaben das Lager in regelmäßigen Abständen.
»Sehr geordnet«, lobte Madog. »Und das sind deutlich mehr als zweitausend, wenn du mich fragst. Eher drei.«
»Hm«, machte Nick. »Lass es uns nicht an die große Glocke hängen, was denkst du?«
Madogs Zähne blitzten im schwindenden Licht auf, als er grinste. »Du hast recht.«
»Die Männer sollen das Lager aufschlagen. Du stellst die Wachen auf, Madog. Und vergesst bloß nicht, die Standarte mit der Tudor-Rose zu hissen.«
»Natürlich nicht«, gab Madog zurück. »Northumberland soll morgen früh auf keinen Fall im Zweifel darüber sein, mit wem er es hier zu tun bekommt. Und darüber hinaus …«
»Lord Waringham?«, unterbrach ihn eine tiefe Stimme.
Nick wandte den Kopf. Er brauchte einen Moment, bevor er den Reiter erkannte. Dann fiel ihm der Name wieder ein. »Sir Jonathan! Hier, das ist mein walisischer Cousin, Madog Pembroke. Madog, Sir Jonathan Helmsby.«
»Eine Ehre«, sagten sie im Chor und schüttelten sich die Hand, dann berichtete Helmsby: »Ich habe in Fenwick hier in der Nähe ein kleines Gut und bin hingeritten, um zu hören, was die Leute dort wissen. Auf dem Rückweg lief mir ein wilder Geselle in die Arme, der behauptete, er komme aus Yarmouth und sei Steuermann eines Schiffes in Northumberlands Flotte.«
»Was tut ein Steuermann so weit weg von der Küste?«, verwunderte sich Madog.
Helmsby nickte grimmig. »Das habe ich ihn auch gefragt. Ich glaube, es ist besser, Ihr hört Euch die Antwort selbst an, Mylord.«
Nick und Madog tauschten einen beunruhigten Blick, wendeten dann ihre Pferde und folgten dem Ritter zu einem Zelt, das am Rande des Lagers bereits aufgeschlagen worden war.
In der Zeltmitte, dort, wo das durchhängende Dach am höchsten war, stand ein großer, breitschultriger Mann. Er war in Nicks Alter, trug einen Ohrring und das blonde Haar altmodisch lang, und obwohl Helmsby ihm die Hände gebunden hatte, wirkte er vollkommen gelassen und eine Spur hochmütig.
»Ihr seid Waringham?«, fragte er und ruckte das Kinn rüde in seine Richtung.
Nick zog eine Braue in die Höhe, antwortete aber betont höflich. »Ganz recht, Master …?«
»Ich bin Steuermann der Mary of Dover . Sie gehört zu einer Flotte von rund zwei Dutzend Schiffen, die der Kronrat nach Yarmouth geschickt hat. Dort sollten wir kreuzen, und für den Fall, dass Prinzessin Mary übers Meer zu fliehen versucht, sollten wir sie abfangen.«
Madog verschränkte ungeduldig die Arme. »Das wissen wir alles längst, Master Namenlos.«
Der Blick der blaugrauen Augen streifte sein Gesicht für einen Moment, richtete sich aber sogleich wieder auf Lord Waringham. »Gestern bekamen wir Befehl, in den Hafen einzulaufen und Northumberland entgegenzumarschieren, um seine Truppe zu verstärken. Daraufhin kam es zur Meuterei, Mylord.«
»Was?«, rief Madog ungläubig aus und wandte sich mit
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