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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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langen Schritten ging er zur Estrade, starrte auf das königliche Banner über dem Kopf seiner Tochter, dann packte er das schwere Tuch mit beiden Händen und riss es herunter. Mit einem Laut, der verdächtig nach einem Schluchzen klang, schleuderte er es ihr vor die Füße und stiefelte dann mit gesenktem Kopf hinaus, um – wie Francis später hörte – auf den Tower Hill hinauszugehen und Mary Tudor zur Königin auszurufen.
    Die Stille, die in der großen Halle des White Tower zurückblieb, war ebenso zäh und bedrückend wie die Schwüle.
    »Welcher Tag ist heute?«, fragte Jane Grey schließlich.
    Cranmer schien verwirrt wie alle anderen, antwortete aber: »Der neunzehnte Juli, Madam. Ein … ein Mittwoch.«
    »Der neunzehnte Juli«, wiederholte sie versonnen. »Ich war Königin für neun Tage.«
    Als die Lords des gespaltenen Kronrats wieder begonnen hatten zu streiten und sich gegenseitig zu verhaften, hatte Francis Millicent bei der Hand genommen und sie möglichst unauffällig an der Wand entlang zur Tür geführt. Niemand hatte sie mehr beachtet. Nur die beiden Yeoman Warders, die sie während der letzten Tage mit Argusaugen bewacht hatten, waren ihnen zum Ausgang gefolgt.
    »Ihr wollt uns nicht im Ernst hindern, oder?«, hatte Francis gefragt, herausfordernd, damit sie nicht merkten, wie nervös er war.
    »Im Gegenteil, Mylord«, antwortete der Linke und verneigte sich höflich. »Die Yeoman Warders des Tower of London unterstehen dem Monarchen, nicht dem Kronrat. Wir können die neue Königin nicht fragen, was wir mit Euch anstellen sollen, aber ich schätze mal, es ist in ihrem Sinne, dass wir Euch bis ans Tor begleiten und dafür sorgen, dass Ihr den Tower unversehrt verlasst.«
    Francis hatte vorgehabt, ein Wherry zu nehmen und bis zur Temple-Treppe zu fahren, um von dort zu ihrem Haus an der Shoe Lane zu gehen. Er wusste genau, dass sein Vater Höllenqualen um ihn ausstand – seine Stiefmutter gewiss ebenso –, und er musste ihnen schnellstmöglich Nachricht schicken, um sie zu erlösen. Aber schon auf der Tower Street erkannte er, dass sie vermutlich bis zum nächsten Morgen brauchen würden, um die Stadt zu durchqueren.
    London war vollkommen außer Rand und Band.
    Alle Glocken der weit über hundert Kirchen der Stadt läuteten und verursachten ein derartiges Getöse, dass man sein eigenes Wort nicht mehr verstehen konnte. Aber noch lauter war der Jubel der Londoner. Ausnahmslos waren sie aus den Häusern gekommen, tanzten und feierten auf den Straßen und ließen Königin Mary hochleben. Hastig hatte der Stadtrat angeordnet, Wein durch die öffentliche Wasserleitung fließen zu lassen, und bald waren die Londoner nicht nur vor Glückseligkeit trunken. Die Straßenszenen wurden ausgelassener und zügelloser, aber es gab so gut wie keine Schlägereien oder andere Ausbrüche von Gewalt, wie sie sonst bei solchen Volksaufläufen üblich waren. Die Gilden und Zünfte veranstalteten spontane Umzüge in ihren feinen Livreen, die Leute schleppten Tische auf die Straßen, brachten an Getränken und Speisen heraus, was sie im Hause hatten, und kein Bettler wurde abgewiesen. Auf den Plätzen und vor den Schänken fanden sich Spielleute zusammen und musizierten ausgelassen, Freunde lagen sich ebenso in den Armen wie seit Generationen verfeindete Nachbarn, bunte Tücher und vor allem Tudor-Banner wurden aus den Fenstern gehängt, um die Stadt zu schmücken, und als es dunkel wurde, entflammten so viele Freudenfeuer, dass ein sizilianischer Gesandter nach Hause schrieb, London habe in jener Nacht heller geleuchtet als der Ätna.

Framlingham, Juli 1553
    »Hoheit, der Earl of Arundel ist eingetroffen und erbittet Audienz«, meldete Robert Rochester. Der alte Gentleman, der so viele Jahre dafür gesorgt hatte, dass Marys Haushalt so zuverlässig funktionierte wie ein Nürnberger Uhrwerk, schien der einzige zu sein, der in dem allgemeinen Chaos auf der Burg in Framlingham sowohl die Ruhe als auch den Überblick bewahrte.
    Mary nickte ihm zu. »Ich lasse bitten, Sir Robert.« Und als Rochester sich abwandte, raunte sie Nick zu: »Die Ratten, die das sinkende Schiff verlassen haben, machen uns ihre Aufwartung.«
    »Aber wir brauchen Arundel«, gab Nick ebenso gedämpft zurück und dachte: Gott helfe mir, ich klinge schon wie ein richtiger Politiker.
    »Ich weiß«, knurrte sie unwillig. »Aber wir haben keinen Grund, es ihm leichter als nötig zu machen, oder?«
    Ehe Nick erwidern konnte, dass diese Antwort

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