Der dunkle Thron
ihres Vaters würdig gewesen wäre, trat der Earl of Arundel in die Halle, kam ohne zu zögern an die Estrade und kniete nieder. »Hoheit.«
»Mylord«, grüßte Mary frostig.
Arundel wartete vergeblich auf ihre Aufforderung, sich zu erheben, sah für einen Moment zu ihr hoch und nickte mit einem wissenden, selbstironischen Lächeln. »Ihr habt ja recht. Ich habe Euer Misstrauen und Euren Zorn verdient, denn ich habe zu lange gezögert, mich darauf zu besinnen, dass Euer Vater mein Pate war und ich ihm alles verdanke, was ich je erreicht habe, ich mich folglich von Anfang an auf Eure Seite hätte stellen müssen und …«
»Habt die Güte und erspart mir Eure Beichte. Wenn es Euch nach Absolution verlangt, wird mein Kaplan Euch gewiss gern zur Verfügung stehen. Ich wünsche von Euch nur zweierlei: Sagt uns, wie es um den jungen Waringham steht.«
»Er und seine Gemahlin haben den Tower gestern unversehrt verlassen.«
Nick musste die Augen schließen und sich einen Moment an Marys Rückenlehne festklammern. Er hörte Mary aufatmen. »Gelobt sei Jesus Christus«, murmelte sie und bekreuzigte sich.
Gelobt sei Jesus Christus , dachte auch Nick. Und gelobt sei Arundel . Er wusste, es war vollkommen irrational, aber seine Dankbarkeit an den Überbringer der Freudenbotschaft machte es ihm unmöglich, diesem mit dem eigentlich gebotenen Groll zu begegnen.
»Und zweitens wüsste ich gern, wo der Kronrat steht«, fuhr Mary fort.
»Ich bin hier, um für den Kronrat zu sprechen, Hoheit, der sich Euch unterwirft und Eure Vergebung erfleht.« Er hob wieder den Blick, und die Aufrichtigkeit darin war kaum zu leugnen.
Marys grimmige Entschlossenheit geriet ins Wanken. Lange zögerte sie. Dann antwortete sie mit einem Seufzen: »Gewährt.« Ihre Haltung blieb kerzengerade und würdevoll, aber die Anspannung verschwand aus ihren Schultern. »Steht schon auf, Arundel. Lasst uns Pläne machen.«
Erleichtert kam der Earl auf die Füße. »Im Namen des Kronrates ersuche ich Euch, nach London zu eilen, sobald es Euch gefällt, Hoheit. Es gibt furchtbar viel zu …«
»Der Kronrat sollte sich lieber gleich wieder abgewöhnen, mir Vorschriften zu machen«, fiel sie ihm mit leisem Spott ins Wort. »Denn auch wenn ich vergebe, heißt das nicht, dass ich vergesse. Seid unbesorgt, ich werde bald nach London kommen. Aber noch nicht sofort. Vorerst wünsche ich, dass meine arme, irregeleitete Cousine Jane Grey, ihr Gemahl und ihr Vater im Tower eingesperrt werden. Und Erzbischof Cranmer.«
Arundel verneigte sich. »Ich reite sofort zurück und …«
»Nein, Mylord, Ihr reitet nach Cambridge und verhaftet Northumberland.«
Arundel war anzusehen, dass er der Aufgabe nicht mit Enthusiasmus entgegensah, aber er wusste, was er ihr schuldig war. »Gewiss, Hoheit. Sonst noch jemanden?«
Sie überlegte kurz. »Northumberlands übrige Söhne. Das Gericht wird entscheiden, welcher von ihnen sich des Verrats schuldig gemacht, welcher nur seinem Vater den geschuldeten Gehorsam erbracht hat. Macht ihnen klar, dass niemand mit dem Leben dafür bezahlen muss, dass er den Namen Dudley trägt.«
»Hoheit, Eure Güte ist wahrhaft königlich, aber Ihr müsst bedenken, dass jeder Dudley Eure Sicherheit …«
Mary stand ohne Eile auf. »Mylord of Arundel. Ich bin eine Frau, und ich weiß, dass wir das schwächere Geschlecht sind und darum Führung brauchen, denn so steht es in der Schrift. Aber ich bin auch die Tochter meiner Mutter und die Enkelin meiner Großmutter – zweier Königinnen, deren Frömmigkeit, Rechtschaffenheit und Kraft größer waren als die der Könige, mit denen sie vermählt waren. Sie werde ich mir zum Vorbild nehmen, wenn ich zur ersten regierenden Königin gekrönt werde, die je Englands Geschicke leitete. Und ich weiß, sie hätten getan, was ich tun werde, nämlich ihre Regentschaft mit Gnade und Vergebung begonnen, um alte Wunden zu heilen. Jeder Lord, jeder Engländer, der sich gegen Gott oder gegen mich versündigt hat, bekommt eine Chance, es wiedergutzumachen. Eine . Das gilt auch für jeden Dudley, der nicht des Verrats schuldig befunden wird. Und es gilt für Euch. Also seid dankbar und nutzt die Gelegenheit, mir zu beweisen, dass Ihr würdig seid, zu den Männern zu zählen, einer schwachen Frau auf dem Thron mit Rat und Führung beizustehen.«
Der Earl of Arundel trat respektvoll einen Schritt zurück und verneigte sich. Als er wieder aufschaute, blickte er sie völlig anders an als zuvor, schien zum ersten
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