Der dunkle Thron
Scheiße.«
Nick gab die Verstellung auf und seufzte. »Ich hätte es treffender kaum ausdrücken können. Und wenn Ihr die Wahrheit wissen wollt: Ich bin vollkommen ratlos.«
Jerome Dudley zog mit der Stiefelspitze einen Holzschemel näher und legte die Füße darauf. Nachdenklich betrachtete er seinen jungen Gastgeber, und beinah sah es aus, als ringe er mit sich. Schließlich fragte er: »Erlaubt Ihr ein offenes Wort?«
Nick vollführte eine einladende Geste. »Ich glaube kaum, dass mich das nach diesem Tag noch erschüttern wird.«
»Edmund Howard ist ein verflucht gefährlicher Hurensohn. Sein Bruder Norfolk ist mit einem Mal einer der mächtigsten Männer des Reiches und wird ihn decken, egal, was er tut. Es sieht alles andere als rosig für Euch aus, Waringham.«
»Ich weiß.« Nick sah ihm in die Augen. »Was soll ich tun? Davonkriechen?«
»Euren Paten und Vormund um Hilfe bitten?«, schlug Jerome vor.
Nick schwieg. Es war nicht so, als hätte er nicht bereits an Suffolk gedacht. Aber er brachte es nicht fertig, zu seinem Paten zu laufen und sich hinter dessen breitem Rücken zu verstecken. Er wusste selbst, dass er Hilfe brauchte. Doch er konnte nicht darum bitten. »Dudley. Was ist das für ein Name?«, fragte er, um das Thema zu wechseln. »Woher stammt Ihr, Sir Jerome?«
»Sussex. Mein Großvater war Baron Lisle. Und mein Vater war Sir Edmund Dudley.« Die Tatsache schien ihm wenig Freude zu bereiten. »Ihr seht aus, als sagte der Name Euch nichts.«
Nick schüttelte den Kopf. »Tut mir leid. Mein Vater fiel vor zehn Jahren in Ungnade. Ich habe keine Ahnung von wichtigen Namen.«
Jerome schnitt eine Grimasse. »Mein Vater fiel auch in Ungnade. Er war einer der engsten Vertrauten des alten Königs. So wie Euer Großvater. Aber anders als der, machte mein Vater vor allem von sich reden, weil er Geld für den König beschaffte.« Er schenkte sich nach und trank. Nick fiel auf, dass sein Gast einen ordentlichen Zug hatte. »Sie sagen, der alte König Henry war raffgierig und geizig«, fuhr Jerome fort. »Mag sein, dass es stimmt, ich weiß es nicht. Jedenfalls war er der einzige König, der seinem Nachfolger nicht jeweils etwas anderes als Schulden hinterließ. Im Gegenteil, er hinterließ ein gewaltiges Vermögen. Eineinhalb Millionen Pfund, Waringham. Könnt Ihr Euch das vorstellen?«
»Nein.«
»Hm. Kein schlechtes Startkapital für den jungen König Henry. Aber die kleinen Leute und die Commons im Parlament hassten meinen Vater. Sie nannten ihn den königlichen Blutsauger. Und als der alte König starb und der jetzige Henry auf den Thron kam, warf er dem Pöbel meinen Vater zum Fraß vor. Sie haben ihn wegen Verrats verurteilt und auf dem Tower Hill enthauptet. Und der junge König hatte die Commons und das Volk im Handumdrehen im Sack.« Es waren deutliche Worte, aber er sprach ohne Bitterkeit.
Es war eine Weile still. Schließlich bemerkte Nick: »Es scheint, Ihr und ich haben mehr gemeinsam, als man auf den ersten Blick meint.«
»Das hat Suffolk auch gesagt.« Jerome musterte ihn einen Augenblick. »Ich will ehrlich zu Euch sein, Waringham.«
»Herrje, schon wieder?«
»Als ich Euch damals in Hampton Court gesehen hab, dachte ich, Ihr seid ein verhätscheltes Herrensöhnchen vom alten Adel, saft- und kraftlos und hochnäsig dazu. Und ich war nicht begeistert, als Suffolk mich herschickte. Aber allmählich glaube ich, ich hab mich getäuscht.«
Nick lächelte matt. »Gerade heute bin ich mir dessen keineswegs sicher, Sir.«
Aber Jerome ließ sich nicht von seinem einmal eingeschlagenen Kurs abbringen. »›Reite hin, sieh nach, wie es ihm geht, und bleib dort, wenn du glaubst, dass du dich nützlich machen kannst‹, hat Suffolk gesagt. Also, Mylord.« Er breitete kurz die Arme aus. »Hier bin ich. Denkt Ihr, ich kann mich nützlich machen?«
Erst als der Angstknoten in seinen Eingeweiden sich plötzlich löste, gestand Nick sich ein, dass er überhaupt dagewesen war. Er ließ sich in seinen Sessel zurücksinken. »Könnt Ihr mir beibringen, vernünftig zu fechten? Das ist ein bisschen zu kurz gekommen, fürchte ich.«
»Selbstredend.«
»Versteht Ihr Euch auf Pferde?«
»Nicht so wie Ihr, schätze ich.«
»Auf Geld?«
»Soll das ein Witz sein? Mein Vater war der gerissenste Rechner, den England je gesehen hat. Natürlich versteh ich mich auf Geld.«
Nick lächelte. »Schiebt mir den Eintopf herüber, seid so gut. Ich sterbe vor Hunger.«
London, April 1530
»Sechs Jahre,
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