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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Gesicht und setzte sich langsam auf. Die Vorstellung erfüllte ihn mit Grauen. »Ich weiß nicht, Bessy«, musste er gestehen. Mühsam kam er auf die Füße, und er erhob keine Einwände, als sie seinen Ellbogen nahm und ihm half. »Ich glaube, ich muss eine Nacht darüber schlafen.« Oder zehn, dachte er. Oder noch besser hundert. Er war noch nie im Leben so erschöpft gewesen.
    »Sagt Polly, sie soll Euch die Brust bandagieren«, trug sie ihm auf.
    Polly tat weit mehr als das. Als sie ihn im Obergeschoss des Bergfrieds dabei ertappte, dass er sich wie ein Trunkenbold an der Wand entlangtastete, sah sie ihm einen Moment in die Augen, machte wortlos kehrt und ließ ihm Gelegenheit, allein und unbeobachtet in sein Bett zu kriechen. Dann kam sie, brachte ihm einen Becher kühles Ale und half ihm mit geschickten und erstaunlich kräftigen Händen aus den Kleidern. Es war anders als mit Bessy. Bessy war so etwas wie seine Amme gewesen, war wohl das, was einem Mutterersatz am nächsten kam, und vor ihr konnte er sich gehen lassen, ohne sich zu schämen.
    Polly hingegen nahm eine Rolle ein, die gänzlich neu in seinem Leben war. In einer mondhellen Oktobernacht war sie zu ihm gekommen, lautlos zwischen den Bettvorhängen hindurchgeschlüpft und hatte sich zu ihm gelegt. Ihr Besuch hatte ihn nicht sonderlich überrascht, denn sie hatte ihn beinah vom ersten Tag an mit vielsagenden Blicken aus der Fassung gebracht. Als der ungeduldig erwartete Moment dann endlich kam, war Nick zu schüchtern gewesen, um irgendetwas anderes zu tun, als reglos dazuliegen, angespannt wie eine Bogensehne. Doch Polly hatte es verstanden, alle Befangenheit zu vertreiben und ihn in eine unbekannte, wunderbare Welt zu führen. Nick ahnte, es war allein ihrem Geschick – und ihrer Erfahrung – zu verdanken, dass er vom ersten Moment an das Gefühl gehabt hatte, ein Mordskerl zu sein und alles richtig zu machen. Und dafür war er ihr dankbarer, als er je mit Worten hätte ausdrücken können. Denn was er im Moment vor allem brauchte, mehr noch als Geld oder Rat, war Selbstvertrauen.
    Polly wusch ihm das Blut aus dem Gesicht, bandagierte ihm die Brust und drückte ihn sacht in die Kissen. »Edmund Howard?«
    »Wieso wusste jeder in Waringham außer mir, dass er hier ist?«, fragte er, gleichermaßen schläfrig und grantig. »Irgendwer hätte mich vorwarnen können …«
    »Alice kam eben vom Brunnen. Sie hatte es von der Köchin gehört.«
    Er nickte und runzelte die Stirn, weil er Kopfschmerzen bekam. »Irgendwo in der Truhe dort drüben liegt das alte Waringham-Schwert. Sollte ich je wieder auf die Beine kommen – was ich im Moment nicht glaube –, werde ich es tragen.«
    Polly lachte leise. Es war ein tiefer, warmer Laut, und selbst jetzt spürte Nick die Regung in den Lenden, die dieses Lachen ihm immer verursachte. Nur schwächer als sonst. Unwillkürlich dachte er an den Tritt in die Nüsse, den Howard ihm verpasst hatte, und er schauderte.
    Polly küsste ihm sacht die geschlossenen Lider. »Du bekommst mir doch kein Fieber? Soll ich mich zu dir legen und dich ein bisschen wärmen?«
    »Nein.« Er rang sich ein Lächeln ab, denn er wollte sie nicht kränken. »Ich brauche nur ein paar Stunden Schlaf, das ist alles.«
    Doch es kam ihm vor, als habe er höchstens ein paar Minuten geschlafen, als Pollys Stimme ihn wieder weckte: »Es tut mir leid, Mylord, aber Ihr habt einen Besucher.«
    Nick stützte sich auf einen Ellbogen und unterdrückte mit Mühe ein Stöhnen. Alles tat schlimmer weh als zuvor. Doch er hörte an Pollys förmlicher Anrede, dass der Besucher schon in der Tür stand. Bitte, Gott, nicht Edmund Howard , betete er, setzte sich auf und schob den Bettvorhang beiseite.
    »Himmel, Arsch noch mal«, sagte sein Gast, als er ihn sah. »Seid Ihr unter die Räuber gefallen?«
    Das trifft die Sache besser, als man glauben möchte, fuhr es Nick durch den Kopf. »Sir … Jerome?«
    Der nickte. »Jerome Dudley.« Er trat einen Schritt näher. »Ihr erinnert Euch an mich?«
    Nick schwang die Beine über die Bettkante – schneller, als gut für ihn war. »Natürlich.« Der Tag, da er auf der Suche nach Sir Thomas More durch Hampton Court geirrt war und schließlich diesem Mann, dem Ritter seines Paten, in die Arme gelaufen war, gehörte schwerlich zu denen, die er je vergessen würde. »Nehmt Platz, Sir. Polly, sei so gut und bring uns Wein und etwas zu essen für meinen Gast.«
    Sie knickste und ging hinaus.
    »Ich nehme an, der Duke

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