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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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ich Euch, mir Eure englische Bibel zu leihen, Mylord.«
    »Angenommen, ich besäße eine. Was in aller Welt wollt Ihr damit?«
    Cromwell rückte ein wenig auf seinem Stuhl nach vorn, als wolle er Nick ein Geheimnis anvertrauen. »Ihr wisst vielleicht nicht, dass auch Lady Anne Boleyn eine Reformerin ist. Sie hat ihren nicht ganz unbeträchtlichen Einfluss auf den König genutzt, um ihn davon zu überzeugen, dass es Gott gefällig wäre, wenn jeder Mensch sein Wort unmittelbar lesen kann. Der König wendet sich den neuen Ideen nur langsam zu, denn seine Ehrfurcht vor der Autorität des Papstes ist tief in ihm verwurzelt. Aber allmählich … öffnet er sich diesen neuen Gedanken. Nun hat er zugestimmt, eine Bibelübersetzung bei den englischen Bischöfen in Auftrag zu geben. Jeder soll einen Teil der Heiligen Schrift ins Englische übertragen.« Er winkte ungeduldig ab. »Daraus kann nichts werden. Es wird ewig dauern, weil sie eigentlich nicht wollen, und weil sie nicht wollen, werden sie es schlecht machen. Ich will eine Ausgabe von Tyndales Werk, um es dem König im richtigen Moment nahezubringen. Wenn der erste der Bischöfe den ersten Teil seines Machwerks vorlegt, will ich dem König zeigen können, welch ein göttlich inspiriertes Opus Master Tyndales Übersetzung im Vergleich dazu ist. Versteht Ihr? Ich will eine Bresche für die Reformbewegung schlagen, aber dazu brauche ich eine Tyndale-Bibel. Sie sind indes nicht so ohne Weiteres zu bekommen, und ein Politiker in meiner Position kann schwerlich von einem Londoner Drucker zum nächsten gehen und danach fragen. Ich würde mich erpressbar machen.« Seine Stimme war ein eindringliches Wispern geworden.
    Als er verstummte, lehnte Nick sich zurück und dachte einen Moment nach. Dann bemerkte er kopfschüttelnd: »Ich weiß nicht, was mich schlimmer beleidigt: dass Ihr mich mit so einem miesen Trick hereinlegen wollt, oder dass Ihr mich für solch einen hoffnungslosen Esel haltet, der auf diese Geschichte hereinfällt.«
    »Mylord, ich versichere Euch …«, begann Cromwell im Brustton der Entrüstung.
    »Ihr wisst, dass ich bei der Königin war. Vermutlich wisst Ihr auch, was mein Vater wusste. Schließlich wart Ihr Wolseys Vertrauter. Ihr wollt ein Druckmittel gegen mich. Besäße ich solch eine verbotene Bibel und gäbe sie Euch, würdet Ihr mich damit zu erpressen versuchen.«
    Cromwell lachte in sich hinein. »Bei allem Respekt, Mylord, aber ich fürchte, Ihr überschätzt Euer politisches Gewicht. Wenn Ihr der Königin und ihrem Töchterchen die Hand halten wollt, bitte. Es steht jedem Mann in England frei, politischen Selbstmord zu begehen. Aber Ihr werdet den Lauf der Dinge nicht aufhalten, weder was das Königliche Anliegen noch was die Reformbewegung betrifft.«
    »Wieso seid Ihr so sicher, dass der König seine Scheidung bekommt?«, fragte Nick neugierig. »Ich würde sagen, die Sache sieht im Moment nicht besonders rosig aus. Der Papst kann es sich nicht leisten, Kaiser Karl zu brüskieren, und wird tun müssen, was der Kaiser will. Und was Karl ganz sicher nicht will, ist die Scheidung seiner Tante.«
    Cromwell nickte ungerührt. »Dann wird der König sich früher oder später fragen müssen, ob der Papst überhaupt befugt ist, diese Entscheidung zu treffen. Hatte sein Vorgänger das Recht, der Ehe des Königs mit Catalina von Aragon eine Dispens zu erteilen, obwohl die Bibel es verbietet? Nimmt ein Mann seines Bruders Weib, so ist es unrein. Er hat die Scham seines Bruders entblößt, und sie sollen kinderlos bleiben , heißt es dort.«
    »Ja, Sir, ich kenne die Bibel«, erwiderte Nick frostig.
    »Und denkt Ihr, der Papst steht über dem Wort Gottes?«
    Nick verschränkte die Hände auf der Tischplatte und beugte sich leicht vor. »Gestattet mir eine Gegenfrage. Im Buch Deuteronomium steht in Kapitel fünfundzwanzig: Wenn Brüder beieinander wohnen und einer stirbt ohne Kinder, so soll des Verstorbenen Weib nicht einen fremden Mann nehmen, sondern ihr Schwager soll sich zu ihr tun und sie zum Weibe nehmen und sie ehelichen . Das komplette Gegenteil also. Vielleicht, weil die Vorschrift im Buch Levitikus davon ausgeht, dass beide Brüder noch leben? Ich weiß es nicht. Aber ist dieser Widerspruch nicht der beste Beweis, dass die Gläubigen einen Papst und eine Kirche brauchen, die ihnen das Wort Gottes erklären?«
    »Denkt Ihr wirklich, dass ein König, der sich im Stande göttlicher Gnade befindet, in Fragen des Glaubens päpstlicher Legitimation

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