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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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bedarf?«, hielt Cromwell dagegen. Er sagte es in aller Seelenruhe.
    Doch Nick musste ein Schaudern unterdrücken. Er wusste ganz genau, worauf Cromwell anspielte: eine Abspaltung von Kirche und Papst. Es war nicht das erste Mal, dass Nick diesem unerhörten Gedanken begegnete – zwei der Bücher seines Vaters sprachen auch davon –, aber egal, wie oft er es hörte oder las, flößte es ihm immer den gleichen Schrecken ein. »Ich glaube, Ihr wisst, wo es hinausgeht, Master Cromwell.«
    Der hob begütigend die Hände und ließ sich in den Sessel zurückfallen, als kapituliere er. »Also schön, Waringham.« Er lächelte. Nick nahm an, es sollte zerknirscht wirken. »Ich gebe zu, ich habe Euch unterschätzt. Wenn Ihr die Wahrheit wissen wollt, ich besitze bereits eine Tyndale-Bibel.«
    »Ihr solltet sie verbrennen, Sir«, riet Nick. »Und da ich leider über keine Burgwache verfüge, die Euch hinausbegleiten könnte, frage ich Euch nun noch einmal: Was wollt Ihr von mir?«
    Cromwell gab die Verstellung auf. Seine Augen verengten sich ein wenig, und seine Stimme war eine unmissverständliche Drohung, als er antwortete: »Ich will wissen, was Ihr der Königin über den Tod Eures Vaters gesagt habt.«
    »Ich wüsste nicht, was Euch das angehen sollte, aber es ist auch kein Geheimnis. Ich habe Ihr das Gleiche gesagt, was der Constable des Tower mir erklärt hat: Mein Vater erkrankte während der Haft im Tower an einem Fieber und starb.«
    »Und das war alles?«
    »Das war alles.«
    »Ihr habt nichts weiter gesagt?«
    Nein, dachte Nick. Nur aufgeschrieben. »Ich schwöre es Euch, wenn Ihr wünscht.«
    »Bei Hof kursiert ein anderslautendes Gerücht.«
    »Bei Hof kursieren immer Gerüchte«, konterte Nick. »Dafür kann ich nichts.« Und er hoffte inständig, die Königin und ihre Hofdame, Lady Jane Seymour, ließen wirklich die versprochene Diskretion walten.
    Cromwell stand auf. »Ich kann Euch nur raten, es dabei zu belassen«, knurrte er.
    »Habt Dank für Euren Rat, Sir«, gab Nick zurück.
    Cromwell stützte die Hände auf den Tisch und sah Nick in die Augen. »Ich sage dies vor allem mit Blick auf das Wohlergehen Eures Bruders, Mylord.«
    Nicks Magen zog sich unangenehm zusammen. »Mein Bruder?«
    Cromwell nickte und lächelte wieder. »Der kleine Raymond, wenn ich mich nicht irre? So ein goldiger Junge. Was wohl aus ihm würde, wenn der Duke of Norfolk seinen Willen durchsetzte und ihn in die Finger bekäme? Könnt Ihr Euch das vorstellen? Euer eigener Bruder ein Howard? Ehe er groß genug wäre, sich selbst die Hosen zuzuschnüren, hätten sie ihn dazu gebracht, Euch zu hassen. Wär sicher bitter, he?«
    »Bitter« traf es nicht ganz. Die Vorstellung war vollkommen unerträglich. Nick biss die Zähne zusammen und sagte nichts.
    »Vielleicht könnte ich dem König in dieser Frage einen Rat geben, der eher in Eurem Interesse läge. Und in dem Eures Brüderchens.«
    Nick zögerte nicht einmal einen Lidschlag lang. »Mein Bruder ist ein Waringham, Sir«, gab er zurück, und es kostete ihn alle Selbstbeherrschung, gelassen zu erscheinen. »Ich kann mir kaum vorstellen, dass es dem Duke of Norfolk gelingt, einen Howard aus ihm zu machen. Aber da ich nicht in der Lage bin, die Entscheidung des Königs zu beeinflussen, muss ich das Schicksal meines Bruders wohl in seine Hand legen. Weil er ja, wie Ihr sagt, Gott in gleicher Weise nahesteht wie der Papst, bin ich zuversichtlich, dass Gott seine Hand auch in dieser Frage lenken wird.«
    Cromwell nickte Jerome leutselig zu und ging zur Tür. »Ich kann nur hoffen, dass Ihr diese Entscheidung nicht eines Tages bitter bereuen müsst, Mylord.«
    »Das hoffe ich auch«, murmelte Nick beklommen, nachdem sein Besucher verschwunden war. Aber er konnte ihnen seine Seele nicht verkaufen, Cromwell nicht und dem König erst recht nicht. Auch nicht für seinen Bruder.

Zweiter Teil
1533–1536

Newhall, April 1533
    »Rechts«, sagte Prinzessin Mary mit Bestimmtheit.
    »Links«, widersprach Nick. »Hier sind wir vor einer Viertelstunde schon einmal rechts gegangen, und seht nur, wohin es uns geführt hat: einmal im Kreis herum.«
    »Woher wollt Ihr wissen, dass es diese Stelle war?«, gab die Prinzessin zurück. »Alle Kreuzungen und Gabelungen sehen genau gleich aus. Sollte Euch das nicht klar sein: Genau das ist der Sinn eines Irrgartens.«
    Nick verdrehte die Augen und seufzte vernehmlich. »Hätte ich geahnt, dass Ihr die Richtung vorgebt, hätte ich vor unserem Spaziergang etwas

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