Der Dunkle Turm 3 - Tot
»Boß!«
»Geh rauf in die Wohnung. Sag Mom, wir sind gegen halb fünf oder fünf wieder da. Aber sag nichts von der Villa. Sie würde einen Scheißanfall bekommen. Sie denkt auch, daß es dort spukt.«
»Soll ich ihr sagen, daß wir rüber zu Dewey’s gehen?«
Schweigen, während Henry darüber nachdachte. »Nee. Sie könnte Mrs. Bunkowski anrufen. Sag ihr… sag ihr, wir gehen zu Dahlie’s, um Hoodsie Rockets zu holen. Das wird sie glauben. Und bitte sie noch um ein paar Piepen.«
»Sie wird mir kein Geld geben. Nicht zwei Tage vor dem Zahltag.«
»Dummes Zeug. Du kannst es aus ihr rauskitzeln. Geh jetzt.«
»Okay.« Aber Jake hörte nicht, daß Eddie sich in Bewegung setzte. »Henry?«
»Was?« Ungeduldig.
»Spukt es wirklich in der Villa, was meinst du?«
Jake ging ein wenig näher an den Spielplatz heran. Er wollte nicht bemerkt werden, war aber mehr als überzeugt, daß er das hören mußte.
»Nee. Es gibt keine richtigen Spukhäuser – nur in dummen Filmen.«
»Oh.« Eddies Stimme klang unmißverständlich erleichtert.
»Aber wenn es je eines gegeben hätte«, fuhr Henry fort (der vielleicht nicht wollte, daß sein kleiner Bruder zu erleichtert war, überlegte Jake), »dann wäre es die Villa. Ich habe gehört, daß vor ein paar Jahren zwei Kinder von der Norwood Street reingegangen sind, um Pimmel zu begutachten, und die Bullen haben sie gefunden, da waren ihre Kehlen aufgeschlitzt, und das ganze Blut aus ihren Leichen war verschwunden. Aber an ihnen oder um sie herum wurde kein Blut entdeckt. Kapiert? Das ganze Blut war fort.«
»Verscheißerst du mich?« hauchte Eddie.
»Nee. Aber das war noch nicht das Schlimmste.«
»Was dann?«
»Ihr Haar war schlohweiß«, sagte Henry. Die Stimme, die Jake vernahm, war ernst. Er hatte eine Ahnung, daß Henry seinen Bruder diesmal nicht hänselte, daß er diesmal jedes Wort glaubte, das er erzählte. (Er bezweifelte auch, daß Henry genug Hirn besaß, sich so eine Geschichte auszudenken.) »Beide. Und ihre Augen waren weit aufgerissen, als hätten sie das Allergräßlichste auf der ganzen Welt gesehen.«
»Ach, verschon mich«, sagte Eddie, aber seine Stimme klang gedämpft, ehrfürchtig.
»Willst du immer noch hin?«
»Klar. Wenn wir nicht… du weißt schon… zu nah ran müssen.«
»Dann geh zu Mom. Und versuch, ihr ein paar Piepen abzuluchsen. Ich brauch Zigaretten. Und nimm den Scheißball mit.«
Jake zog sich zurück und versteckte sich im Eingang des nächstgelegenen Mietshauses, als Eddie gerade durch das Spielplatztor kam.
Zu seinem Entsetzen kam der Junge im gelben T-Shirt in Jakes Richtung. Ach du dickes Ei! dachte Jake. Wenn er nun ausgerechnet in diesem Haus wohnt?
So war es. Jake hatte gerade noch Zeit, sich umzudrehen und die Namen auf den Klingelschildern zu studieren, als Eddie so dicht vorbeistrich, daß Jake den Schweiß riechen konnte, den er bei dem Basketballspiel produziert hatte. Er spürte den neugierigen Blick halb, den der Junge ihm zuwarf, halb sah er ihn. Dann ging Eddie durch die Halle zu den Fahrstühlen; er trug die zusammengerollte Schulhose unter einem und den Basketball unter dem anderen Arm.
Jakes Herz schlug heftig in der Brust. Leute zu beschatten war im richtigen Leben viel schwieriger als in den Detektivromanen, die er manchmal las. Er überquerte die Straße und stellte sich einen halben Block weiter zwischen zwei Mietshäuser. Von dort konnte er den Eingang des Hauses der Brüder Dean und das Spielplatztor sehen. Der Spielplatz füllte sich allmählich, hauptsächlich mit kleineren Kindern. Henry lehnte am Maschendrahtzaun, rauchte eine Zigarette und gab sich größte Mühe, wie ein halbstarker Schläger auszusehen. Ab und zu streckte er den Fuß aus, wenn eines der Kinder in wilder Jagd auf ihn zugerannt kam, und bis Eddie zurückkam, war es ihm gelungen, drei zu Fall zu bringen. Das letzte schlug in voller Länge hin, prallte mit dem Gesicht auf den Beton und rannte mit blutiger Stirn weinend die Straße entlang. Henry schnippte ihm die Zigarettenkippe hinterher und lachte fröhlich.
Ein richtiger Scherzkeks, dachte Jake.
Danach wurden die kleinen Kinder schlauer und machten einen großen Bogen um ihn. Henry verließ den Spielplatz schlendernd und ging zu dem Hauseingang, in dem Eddie vor fünf Minuten verschwunden war. Als er dort ankam, ging die Tür auf, und Eddie kam heraus. Er hatte ein Paar Jeans und ein frisches T-Shirt angezogen; außerdem trug er ein grünes Band, wie Jake es im Traum
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