Der Dunkle Turm 3 - Tot
Bären zu Mus zerquetscht werden.
Also was? Hier stehenbleiben und schießen oder laufen, als würde sein Haar brennen und das Feuer auf den Arsch übergreifen?
Da fiel ihm ein, daß er noch eine dritte Möglichkeit hatte. Er konnte klettern.
Er drehte sich zu dem Baum um, an dem er gelehnt hatte. Es war eine riesige, knorrige Pinie, sicher der höchste Baum in diesem Teil des Waldes. Der erste Ast erstreckte sich wie ein grüner Federfächer etwa zweieinhalb Meter hoch. Eddie entspannte den Hahn des Revolvers und steckte die Waffe in den Hosenbund. Er sprang nach dem Ast, packte ihn und machte einen panischen Klimmzug. Hinter ihm stieß der Bär ein neuerliches Brüllen aus, als er auf die Lichtung platzte.
Der Bär hätte Eddie dennoch erwischt, hätte Eddie Deans Eingeweide wie bunte Girlanden vom untersten Ast der Pinie hängen lassen, hätte er in diesem Augenblick nicht wieder einen Niesanfall bekommen. Er kickte die Asche des Lagerfeuers zu einer schwarzen Wolke hoch, dann blieb er fast vornübergebeugt und mit auf die Schenkel gestützten Pfoten stehen, so daß er einen Moment wie ein alter Mann im Pelzmantel aussah, ein alter Mann mit einer Erkältung. Er nieste noch einmal und dann noch einmal – HA-TSCHUH! HA-TSCHUH! HA-TSCHUH-, und ganze Wolken Parasiten stoben aus seinen Nasenlöchern. Heißer Urin strömte wie ein Wasserfall zwischen seinen Beinen hinab und löschte die verstreute Glut des Lagerfeuers zischend.
Eddie vergeudete die wenigen entscheidenden Augenblicke nicht, die er dadurch gewonnen hatte. Er kletterte den Baum hinauf wie ein Affe am Stock und hielt nur einmal inne, um sich zu vergewissern, daß der Revolver des Revolvermanns immer noch fest in seinem Hosenbund steckte. Er stand Todesängste aus und war schon halb davon überzeugt, daß er sterben würde (was konnte er schon anderes erwarten, wo Henry nicht da war und auf ihn AUFPASSTE?), aber dennoch hallte irres Gelächter durch seinen Kopf. Auf’n Baum gejagt, dachte er. Was sagt ihr dazu, Sportsfreunde? Auf n Baum gejagt von Bärzilla.
Die Bestie hob wieder den Kopf, und dabei spiegelte sich Sonnenlicht blitzend und funkelnd auf dem Ding, das sich zwischen seinen Ohren drehte, dann griff der Bär Eddies Baum an. Er streckte eine Pfote hoch und schlug damit zu, damit er Eddie wie einen Pinienkern herunterschlagen konnte. Die Pfote schlug den Ast ab, auf dem Eddie gestanden hatte, als dieser gerade zum nächsten hinaufsprang. Die Pfote erwischte außerdem einen von Eddies Schuhen, den sie ihm vom Fuß riß, so daß er in zwei zerfetzten Teilen zu Boden fiel.
Macht nichts, dachte Eddie. Kannst sie beide haben, Meister Petz, wenn du willst. Die verdammten Dinger waren sowieso durchgelaufen.
Der Bär brüllte, schlug nach dem Baum und riß tiefe Furchen in die uralte Rinde; Wunden, aus denen klarer, harziger Saft blutete. Eddie hangelte sich weiter in die Höhe. Die Äste wurden jetzt dünner, und wenn er einen Blick nach unten riskierte, sah er dem Bären genau in die umwölkten Augen. Unter dem schräggelegten Kopf war die Lichtung zu einer Zielscheibe geworden, deren Zwölfer das Lagerfeuer war.
»Hast mich verfehlt, du pelziger Wich…«, begann Eddie, aber dann nieste der Bär, der den Kopf immer noch schräg gelegt hatte und zu ihm empor sah. Eddie war sofort von heißem Rotz bedeckt, in dem Tausende kleiner weißer Würmer wuselten. Sie wanden sich panisch auf seinem Hemd, Unterarmen, Hals und Gesicht.
Eddie schrie vor Überraschung und Ekel. Er wischte Augen und Mund ab, verlor das Gleichgewicht und konnte gerade noch rechtzeitig einen Arm um den Ast neben sich krümmen. Er klammerte sich fest, obwohl er sich die Haut abschürfte, und wischte soviel wurmgesättigten Rotz ab, wie er konnte. Der Bär brüllte und schlug wieder gegen den Baum. Die Pinie schwankte wie ein Mast bei Sturm… aber die frischen Krallenspuren, die zu sehen waren, befanden sich mindestens zwei Meter unter dem Ast, auf dem Eddie stand.
Die Würmer starben, stellte er fest – das Sterben mußte schon in dem Augenblick eingesetzt haben, als sie die infizierten Sümpfe im Körper des Monsters verlassen hatten. Das tröstete ihn ein wenig, und er kletterte weiter. Dreieinhalb Meter weiter oben hielt er inne, weil er nicht wagte, noch höher zu klettern. Der Stamm der Pinie, der am Ansatz gut und gerne einen Durchmesser von zweieinhalb Meter hatte, maß hier oben nicht mehr als vierzig Zentimeter. Er hatte die Füße auf zwei Ästen stehen, konnte
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