Der Dunkle Turm 3 - Tot
oben, wo er den ganzen Fluß überblicken konnte, der sich wie ein Stahlband unter einem Himmel erstreckte, der sich langsam bewölkte.
Auf halber Strecke über dem Loch in der Brücke (Roland und Susannah hatten die Stelle erreicht, wo der unebene Brückenbelag wieder anfing, und beobachteten die anderen), sah Jake zurück und verspürte Niedergeschlagenheit. Sie hatten ein Mitglied der Gemeinschaft vergessen, als sie sich darüber unterhalten hatten, wie sie die Lücke überqueren sollten. Oy kauerte erstarrt und offensichtlich von Todesangst geplagt auf der anderen Seite des Lochs im Fußweg. Er schnupperte an der Stelle, wo der Beton aufhörte und die rostige, gerundete Stütze anfing.
»Komm schon, Oy!« rief Jake.
»Oy!« rief der Bumbler zurück, und das Zittern seiner Stimme klang fast menschlich. Er streckte den langen Hals nach vorne Richtung Jake, bewegte sich aber nicht. Seine goldumrandeten Augen waren groß und furchtsam.
Eine weitere Windbö strich über die Brücke hinweg und brachte sie zum Schwanken. Etwas surrte neben Jakes Kopf – der Klang einer Gitarrensaite, die gespannt wurde, bis sie reißt. Ein Stahlfaden schnellte aus dem Aufhänger neben ihm heraus und zerkratzte ihm fast die Wange. Zehn Schritte entfernt kauerte Oy und ließ Jake nicht aus den Augen.
»Komm weiter!« rief Roland. »Der Wind nimmt zu! Komm her, Jake!«
»Nicht ohne Oy!«
Jake schlurfte den Weg zurück, den er gekommen war. Er war noch keine zwei Schritte gegangen, als Oy zaghaft auf die Stahlstrebe trat. Die Krallen an den Enden seiner steif gespreizten Beine kratzten auf der gerundeten Metalloberfläche. Eddie stand hinter dem Bumbler und fühlte sich hilflos und zu Tode geängstigt.
»So ist es recht, Oy!« ermutigte Jake ihn. »Komm zu mir!«
»Oy-Oy! Ake-Ake!« rief der Bumbler und wuselte hastig über die Strebe. Er war fast bei Jake, als der verräterische Wind wieder aufkam. Die Brücke schwang. Oys Pfoten scharrten, panisch nach Halt suchend, auf der Strebe, fanden aber keinen. Seine Hinterfüße rutschten vom Rand ins Leere. Er versuchte, sich mit den Vorderpfoten festzukrallen, aber es gab nichts, woran er sich festkrallen konnte. Seine Hinterbeine strampelten wie von Sinnen in der Luft.
Jake ließ das Geländer los und lief zu ihm; er dachte an nichts anderes als an Oys goldumrandete Augen.
»Nein, Jake!« bellten Roland und Eddie gleichzeitig, jeder von seiner Seite des Lochs und jeder zu weit entfernt, um einzugreifen.
Jake landete bäuchlings auf dem Kabel. Der Schulranzen schlug ihm gegen die Schulterblätter, und er hörte seine Zähne aufeinanderschlagen, was ein Geräusch wie ein Stoßball erzeugte, der beim Billard das Dreieck auseinanderschießt. Der Wind frischte wieder auf. Jake neigte sich mit ihm, klammerte die rechte Hand um die Strebe und griff mit der linken nach Oy, während er ebenfalls über den Rand rutschte. Der Bumbler glitt ab und biß in Jakes ausgestreckte Hand. Die Schmerzen waren unerträglich. Jake schrie, hielt sich aber fest, senkte den Kopf, ließ die Strebe nicht los und drückte zusätzlich die Knie gegen die tückisch glatte Oberfläche. Oy baumelte an seiner linken Hand wie ein Zirkusakrobat und sah mit seinen goldumrandeten Augen auf, und nun konnte Jake sehen, wie sein eigenes Blut in zwei dünnen Rinnsalen am Kopf des Bumblers hinabfloß.
Dann schwoll der Wind weiter an, und Jake rutschte über den Rand.
13
Eddies Angst fiel von ihm ab. An ihre Stelle trat diese seltsame, doch willkommene Kälte. Er ließ Susannahs Rollstuhl polternd auf den rissigen Beton fallen und rannte behende auf das Stützkabel hinaus, ohne sich erst die Mühe zu machen, nach dem Geländer zu greifen. Jake hing kopfunter über dem Abgrund, und Oy baumelte wie ein pelziges Pendel an seiner linken Hand. Und die rechte Hand des Jungen rutschte ab.
Eddie machte die Beine breit und ließ sich in eine sitzende Haltung fallen. Seine ungeschützten Hoden wurden schmerzhaft in den Schritt gequetscht, aber im Augenblick waren selbst diese erlesenen Schmerzen Nachrichten aus einem fernen Land. Er packte Jake mit einer Hand am Haar und mit der anderen an einem Gurt des Ranzens. Er spürte, wie er zur Seite kippte, und fürchtete einen alptraumhaften Augenblick, sie könnten alle drei wie eine Gänseblümchenkette ins Leere stürzen.
Er ließ Jakes Haar los, umklammerte den Gurt fester und hoffte, der Junge hatte den Ranzen nicht in einem Billigladen gekauft. Mit der freien Hand
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