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Der Dunkle Turm 3 - Tot

Titel: Der Dunkle Turm 3 - Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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hätte dreißig, vierzig oder sechzig Jahre alt sein können. Eine Hand hielt er hoch über den Kopf. Er trug etwas darin, das Roland nicht erkennen konnte, aber die Form war zu regelmäßig für einen Stein.
    Hinter dieser Erscheinung ragte die Stadt, von einer unheimlichen Klarheit erfüllt, im dunkelnden Tag empor. Als Eddie an den Backsteingebäuden am gegenüberliegenden Ufer – zweifellos Warenhäuser, die längst schon von Plünderern ausgeräumt worden waren – vorbei in die schattigen Korridore und Irrgärten aus Stein sah, ging ihm zum erstenmal auf, wie irrig und schrecklich albern seine Träume und Hoffnungen auf Hilfe gewesen waren. Jetzt sah er die zertrümmerten Fassaden und eingestürzten Dächer; jetzt sah er Vogelnester auf Erkern und in glaslosen Fenstern; jetzt nahm er den Geruch der Stadt bewußt wahr, und dieser Geruch stammte nicht von sagenhaften Gewürzen und köstlichen Speisen, wie sie seine Mutter manchmal von Zabar’s heimgebracht hatte, sondern war der Geruch einer Matratze, die Feuer gefangen, eine Weile geschwelt hat und dann mit Wasser aus dem Abwasserkanal gelöscht worden ist. Plötzlich verstand er Lud, verstand es völlig. Der grinsende Pirat, der sich angeschlichen hatte, während ihre Aufmerksamkeit abgelenkt gewesen war, stellte wahrscheinlich den besten Ersatz für einen weisen alten Elfen dar, den dieser kaputte, heruntergekommene Ort zu bieten hatte.
    Roland zog den Revolver.
    »Steck ihn weg, Jüngelchen«, sagte der Mann mit dem gelben Schal mit einem so ausgeprägten Akzent, daß der Sinn der Worte fast nicht zu verstehen war. »Steck ihn weg, mein Herzenskind. Bist ein zäher Brocken, ay, soviel sieht man dir an, aber diesmal biste unterlegen.«
     
     
    14
     
    Die Hosen des Neuankömmlings waren aus geflicktem grünem Samt, und wie er so am Rand des Lochs in der Brücke stand, sah er wie ein Pirat am Ende seiner Tage als Plünderer aus: krank, zerlumpt, aber immer noch gefährlich.
    »Und wenn ich beschließe, das nicht zu tun?« fragte Roland. »Wenn ich einfach beschließe, dir eine Kugel durch den schorfigen Kopf zu schießen?«
    »Dann gehe ich gerade so schnell vor dir zur Hölle, daß ich dir noch die Tür aufhalten kann«, sagte der Mann im gelben Schal mit einem rostigen Kichern. Er winkte mit der Hand, die er über dem Kopf hielt. »Für mich wär’s so oder so derselbe Mordsspaß.«
    Roland ging davon aus, daß das der Wahrheit entsprach. Der Mann sah aus, als hätte er bestenfalls noch ein Jahr zu leben… und die letzten Monate dieses Lebens würden wahrscheinlich sehr unangenehm werden. Die eiternden Schwären in seinem Gesicht hatten nichts mit Strahlung zu tun; wenn Roland sich nicht sehr irrte, befand sich dieser Mann im Endstadium einer Krankheit, die die Ärzte Mandrus und alle anderen Hurenblüte nannten. Es war immer schlimm, einem gefährlichen Mann gegenüberzustehen, aber bei einem solchen Zusammmentreffen konnte man wenigstens die Chancen abschätzen. Doch wenn man einem Todgeweihten gegenüberstand, war alles anders.
    »Wißter, was ich hier hab’, meine Süßen?« fragte der Pirat. »Kennter, was euerm alten Freund Schlitzer zufellich inne Hände gefallen is? Das isne Grenado, was die Alten zurückgelassen ham, und ich hab’ schonne Kappe runtergezogen – weil’s doch unhöflich wäre, Kappe aufzulassen beiner Begrüßung.«
    Er gackerte einen Moment fröhlich, dann wurde sein Gesicht wieder still und ernst. Die Heiterkeit verschwand, als hätte jemand in seinem faulenden Gehirn einen Schalter gedrückt.
    »Nur mein Finger drückten Bolzen runter, mein Süßer. Wennste mich erschießt, tutsn simmlich großn Knall. Du unne Fotzenäffin auf deinem Rücken werdet in Stücke gerissen. Der junge Bock, dere Spielzeuchpistole in meine Richtung hält, überlebt vielleicht, aber nur bisser aufs Wasser knallt… und das würde, weile Brücke hier seit vierzich Jahrn am Faden hänkt und nur nochn klein’ Schubs braucht, bisse alle is. Also stecke Knarre wech, oder solln wa alle mittem selben Handkarrn zur Hölle fahrn?«
    Roland überlegte kurz, ob er das Ding, das Schlitzer Grenado nannte, aus seinen Händen schießen sollte, sah aber, wie fest er es umklammert hielt, und steckte den Revolver ein.
    »Ah, gut!« rief Schlitzer wieder fröhlich. »Hab’ gewußt, dassen schlaues Kerlchen bist, als ich dich nur gesehen hab’! O ja! So isses, so isses!«
    »Was willst du?« fragte Roland, obwohl er dachte, daß er das auch schon wußte.
    Schlitzer

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