Der Dunkle Turm 3 - Tot
Zusammenbrechen begriffen zu sein schien.
Roland dachte einen Moment nach, dann fiel ihm Cuthberts Lieblingsrätsel ein. »Na gut, Blaine«, sagte er, »das kann ich. Was ist besser als alle Götter und schlimmer als der alte Pferdefuß? Tote Menschen essen es immerzu; wenn lebende Menschen es essen, sterben sie langsam.«
Es folgte eine lange Pause. Jake vergrub das Gesicht in Oys Fell, um den Gestank des gegrillten Grauen nicht einatmen zu müssen.
»Sei vorsichtig, Revolvermann.« Die Stimme war so leise wie ein kühles Lüftchen am heißesten Sommertag. Die Stimme der Maschine war aus allen Lautsprechern gekommen, aber diese hier klang nur aus dem Lautsprecher direkt über ihnen. »Sei vorsichtig, Jake von New York. Vergeßt nicht, dies sind die Drawers. Seid bedacht und sehr vorsichtig.«
Jake sah den Revolvermann mit großen Augen an. Roland schüttelte fast unmerklich den Kopf und hob einen Finger. Es sah aus, als würde er sich an der Nase kratzen, aber der Finger lag auch auf seinen Lippen, und Jake wurde klar, daß Roland ihn damit aufforderte, den Mund zu halten.
»EIN KNIFFLIGES RÄTSEL«, sagte Blaine schließlich. Aufrichtige Bewunderung schien aus seiner Stimme zu sprechen. »DIE ANTWORT LAUTET: NICHTS. RICHTIG?«
»Richtig«, sagte Roland. »Du bist sehr klug, Blaine.«
Als die Stimme wieder sprach, hörte Roland, was Eddie schon gehört hatte: tiefempfundene, unersättliche Gier. »GIB MIR NOCH EINS.«
Roland holte tief Luft. »Nicht jetzt.«
»ICH HOFFE, DU SCHLÄGST MEINEN WUNSCH NICHT AB, ROLAND VON GILEAD, SOHN VON STEVEN. DENN DAS WÄRE AUCH UNHÖFLICH. ÜBERAUS UNHÖFLICH.«
»Bring uns zu unseren Freunden und hilf uns, Lud zu verlassen«, sagte Roland. »Dann könnte eine Zeit für Rätsel kommen.«
»ICH KÖNNTE EUCH TÖTEN, WO IHR SEID«, sagte die Stimme, die jetzt so kalt wie der dunkelste Wintertag war.
»Ja«, sagte Roland. »Das glaube ich dir aufs Wort. Aber die Rätsel würden mit uns sterben.«
»ICH KÖNNTE DAS BUCH DES JUNGEN NEHMEN.«
»Diebstahl ist noch unhöflicher als Ablehnung oder Unterbrechen«, bemerkte Roland. Er sagte es, als würde er sich lediglich die Zeit vertreiben, aber die verbliebenen Finger seiner rechten Hand umklammerten Jakes Schulter fest.
»Außerdem«, sagte Jake und sah zum Lautsprecher an der Decke hinauf, »sind die Lösungen nicht in dem Buch. Diese Seiten sind herausgerissen worden.« Einer plötzlichen Eingebung folgend, tippte er sich an die Stirn. »Sie sind hier oben.«
»IHR SOLLTET NICHT VERGESSEN, DASS NIEMAND KLUGSCHEISSER LEIDEN KANN«, sagte Blaine. Eine weitere Explosion erfolgte, diese lauter und näher. Ein Lüftungsgitter wölbte sich nach außen und schoß dann durch die Küche wie ein Projektil. Einen Augenblick später kamen zwei Männer und eine Frau durch die Tür, die zur Behausung der Grauen führte. Der Revolvermann richtete den Revolver auf sie, ließ ihn aber wieder sinken, als er sah, daß sie durch die Küche in das angrenzende Silo liefen, ohne Roland und Jake auch nur eines Blickes zu würdigen. Roland fand, sie sahen wie Tiere aus, die vor einem Waldbrand flohen.
Eine Stahlplatte in der Decke glitt zurück und gab den Blick in ein dunkles Rechteck frei. Etwas Silbernes funkelte darin. Einige Augenblicke später sank eine etwa dreißig Zentimeter durchmessende Stahlkugel aus der Öffnung und schwebte in der Küche.
»FOLGT«, sagte Blaine tonlos.
»Wird sie uns zu Eddie und Susannah bringen?« fragte Jake hoffnungsvoll.
Blaine antwortete nur mit Schweigen… aber als die Kugel den Korridor entlangschwebte, folgten Roland und Jake ihr.
38
Jake besaß keine klaren Erinnerungen an die darauffolgende Zeit, und das war wahrscheinlich barmherzig. Er hatte seine Welt, ein Jahr bevor neunhundert Menschen in einem kleinen südamerikanischen Land namens Guyana Selbstmord begingen, verlassen, aber er wußte von den gelegentlichen Todeswanderungen der Lemminge; und was sich in der einstürzenden unterirdischen Stadt der Grauen abspielte, war dem nicht unähnlich.
Es kam zu Explosionen, einige auf ihrer Ebene, aber die meisten tiefer; beißender Rauch drang manchmal aus den Lüftungsgittern, aber die meisten Ventilatoren funktionierten noch und verteilten alles, bevor es sich zu würgenden Wolken verdichten konnte. Feuer sahen sie nicht. Aber die Grauen verhielten sich, als wäre die Zeit der Apokalypse gekommen. Die meisten flohen mit Gesichtern, die leer vor Panik waren, aber viele hatten in den
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