Der Dunkle Turm 3 - Tot
Ihm war heiß, er schwitzte und war deprimiert. Er wollte etwas, dachte aber, er sollte sein bißchen Geld so lange wie möglich zusammenhalten. Er hatte jeden Cent aus der Spardose neben seinem Bett genommen, aber es waren nur acht Dollar, plus minus ein paar Cent.
Eine Gruppe Schulkinder versammelte sich zur Führung. Öffentliche Schule, da war Jake ganz sicher. Sie waren alle so leger gekleidet wie er selbst. Keine Blazer von Paul Stuart, keine Krawatten, keine Bundfaltenhosen, keine einfachen kurzen Röcke, die in Kaufhäusern wie Miß So Pretty oder Tweenity ein Vermögen kosteten. Bei denen handelte es sich von Kopf bis Fuß um Woolworth. Jake stellte sich, einer Eingebung folgend, am Ende der Reihe auf und folgte ihnen ins Museum.
Die Führung dauerte eine Stunde und fünfzehn Minuten. Jake genoß sie. Das Museum war still. Noch besser, es war klimatisiert. Und die Bilder waren hübsch. Ganz besonders faszinierten ihn einige Bilder des Alten Westens von Frederick Remington und ein großes Gemälde von Thomas Hart Benton, auf dem eine Dampflokomotive zu sehen war, die über die großen Ebenen Richtung Chicago fuhr, während zähe Farmer in blauen Overalls und Strohhüten auf den Feldern standen und zusahen. Keiner der Lehrer, die die Gruppe begleiteten, bemerkte ihn – erst am Ende. Dann klopfte ihm eine strenge Frau im engen blauen Hosenanzug auf die Schulter und fragte ihn, wer er war.
Jake hatte sie nicht kommen sehen, und einen Moment setzte sein Denken aus. Ohne zu wissen, was er tat, steckte er die Hand in die Tasche und umklammerte den Schlüssel. Sofort wurde sein Kopf wieder klar, und er beruhigte sich wieder.
»Meine Gruppe ist oben«, sagte er und lächelte schuldbewußt. »Wir sollen uns die moderne Kunst ansehen, aber die Bilder hier unten gefallen mir viel besser, weil es richtige Bilder sind. Daher bin ich… Sie wissen schon…«
»Ausgerissen?« half die Lehrerin aus. Ihre Mundwinkel zuckten, ein unterdrücktes Lächeln.
»Nun, ich betrachte es eher als französischen Urlaub.« Die Worte sprudelten ihm einfach aus dem Mund.
Die Schüler, die Jake mittlerweile anstarrten, sahen nur verwirrt drein, aber die Lehrerin lachte tatsächlich. »Du weißt entweder nicht oder hast vergessen«, sagte sie, »daß Deserteure in der französischen Fremdenlegion erschossen worden sind. Ich würde vorschlagen, du begibst dich sofort wieder zu deiner Klasse, junger Mann.«
»Ja, Ma’am. Danke. Inzwischen müßten sie sowieso fast durch sein.«
»Von welcher Schule?«
»Markey Academy«, sagte Jake. Auch das kam einfach so heraus.
Er ging nach oben und lauschte dem körperlosen Echo von Schritten und Stimmen im gewaltigen Raum des Rundgangs und fragte sich, warum er das gesagt hatte. Er hatte in seinem ganzen Leben noch nie von einer Schule namens Markey Academy gehört.
12
Er wartete eine Weile in der oberen Lobby, dann stellte er fest, daß ein Aufseher ihn mit wachsendem Interesse betrachtete, und überlegte sich, daß es nicht klug wäre, noch länger zu warten – er konnte nur hoffen, daß die Klasse, der er sich vorübergehend angeschlossen hatte, schon gegangen war.
Er sah auf die Armbanduhr, verzog das Gesicht zu einer Grimasse, die, wie er inbrünstig hoffte, nach Herrje! Wie spät es schon ist! aussah, und stapfte nach unten. Die Klasse – und die hübsche farbige Lehrerin, die über den Ausdruck französischer Urlaub gelacht hatte – waren verschwunden, und Jake dachte, daß es besser wäre, wenn er sich auch davonmachte. Er würde noch eine Weile herumschlendern – langsam, wegen der Hitze – und dann mit der U-Bahn fahren.
An der Ecke Broadway und Forty-second machte er bei einer Würstchenbude halt und opferte einen Teil seines knappen Geldvorrats für ein Würstchen und ein Nehi. Er setzte sich auf die Treppe eines Bankhauses, um sein Mittagessen zu sich zu nehmen, was sich als schwerer Fehler erwies.
Ein Polizist, der den Schlagstock in einer Reihe komplizierter Manöver schwang, kam auf ihn zu. Er schien sich auf nichts anderes zu konzentrieren, aber als er auf der Höhe von Jake war, stieß er den Stock blitzschnell ins Futteral und drehte sich zu Jake um.
»Sag mal, mein Freund«, begann er. »Keine Schule heute?«
Jake hatte das Würstchen hinuntergeschlungen, aber nun blieb ihm der letzte Bissen im Hals stecken. Das war ein verdammtes Pech. Sie befanden sich am Times Square, dem Abschaumzentrum Amerikas; hier trieben sich überall Dealer, Junkies, Huren
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