Der Dunkle Turm 4 - Glas
zurück.
Thorin trank; alle Anwesenden folgten seinem Beispiel. Erneut ertönte Applaus. Roland drehte sich um, ohne dass er es verhindern konnte, und sah Susan sofort wieder in die Augen. Einen Augenblick lang sah auch sie ihn freiweg an, und an ihrem offenen Blick konnte er erkennen, dass sie durch seine Anwesenheit ebenso erschüttert wurde wie er durch ihre. Dann bückte sich jene ältere Frau, die Ähnlichkeit mit ihr hatte, und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Susan wandte sich ab, ihr Gesicht eine gefasste Maske… aber er hatte die Anteilnahme in ihren Augen gesehen. Und dachte wieder, dass ungeschehen gemacht werden könnte, was geschehen war, und unausgesprochen, was gesprochen worden war.
8
Als sie den Speisesaal betraten, in dem heute Abend vier lange Tischreihen beieinander standen (so dicht, dass dazwischen kaum ein Durchkommen war), zerrte Cordelia ihre Nichte an der Hand weg von dem Bürgermeister und Jonas, der eine Unterhaltung mit Fran Lengyll begonnen hatte.
»Warum hast du ihn so angesehen, Miss?«, flüsterte Cordelia wütend. Die vertikale Linie auf ihrer Stirn war erschienen. Heute Abend sah sie so tief wie ein Graben aus. »Was ist nur in deinem hübschen dummen Kopf vorgegangen?« Miss. Allein das genügte, um Susan zu zeigen, in welch einer Rage ihre Tante war.
»Wen angesehen? Und wie?« Der Ton hörte sich richtig an, dachte sie, aber oh, ihr Herz…
Die Hand drückte ihre so fest, dass es wehtat. »Komm mir nicht so, Miss O So Jung Und Hübsch! Hast du diesen feinen Burschen vorher schon einmal gesehen? Sag mir die Wahrheit!«
»Nein, wie sollte das auch gehen? Tante, du tust mir weh.«
Tante Cord lächelte gehässig und drückte noch fester zu. »Besser jetzt ein kleiner Schmerz als später ein großer. Unterlass deine Dreistigkeit. Und lass deine lüsternen Blicke!«
»Tante, ich weiß nicht, was du…«
»Ich glaube doch«, sagte Cordelia grimmig und drückte ihre Nichte fest an die Holztäfelung, damit die anderen Gäste vorbeiströmen konnten. Als der Rancher, dem das Bootshaus neben dem ihren gehörte, Hallo sagte, lächelte Tante Cord ihm freundlich zu und wünschte ihm einen guten Abend, bevor sie sich wieder Susan zuwandte.
»Pass auf, Miss – pass sehr wohl auf. Wenn ich schon deine Kuhaugen gesehen habe, dann kannst du dir sicher sein, dass die halbe Gesellschaft sie auch gesehen hat. Nun, geschehen ist geschehen, aber das hört jetzt auf. Deine Zeit für derlei kindische Spiele ist vorbei. Hast du verstanden?«
Susan schwieg, und ihr Gesicht nahm diesen störrischen Ausdruck an, den Cordelia am meisten hasste; es war ein Anblick, bei dem sie ihre verstockte Nichte immer schlagen wollte, bis deren Nase blutete und ihr Tränen aus den grauen Rehaugen liefen.
»Du hast ein Gelübde abgelegt und einen Vertrag unterschrieben. Dokumente wurden getauscht, die Geisterfrau wurde konsultiert, Geld hat den Besitzer gewechselt. Und du hast dein Versprechen gegeben. Wenn so etwas deinesgleichen nichts bedeutet, Mädchen, bedenke, was es deinem Vater bedeutet hätte.«
Susan traten Tränen in die Augen, und Cordelia freute sich, das zu sehen. Ihr Bruder war ein leichtsinniges Ärgernis gewesen und hatte nur dieses allzu hübsche Frauenzimmer hervorgebracht… aber er konnte nützlich sein, sogar als Toter.
»Und jetzt versprich mir, dass du deine Augen bei dir behalten wirst und du einen großen Bogen um diesen Jungen machst, wenn du ihn kommen siehst – aye, so groß du nur kannst –, um ihm aus dem Weg zu gehen.«
»Ich verspreche es, Tante«, flüsterte Susan. »Ich verspreche es.«
Cordelia lächelte. Eigentlich war sie ziemlich hübsch, wenn sie lächelte. »Dann ist es gut. Gehen wir rein. Man starrt uns schon an. Halt meinen Arm, Kind!«
Susan nahm den gepuderten Arm ihrer Tante. Sie betraten den Raum nebeneinander, ihre Kleider raschelten, der Saphir auf Susans Brust funkelte, und es waren viele anwesend, die bemerkten, wie ähnlich sie einander sahen und wie zufrieden der alte Pat Delgado doch mit ihnen gewesen wäre.
9
Roland saß dicht am Kopf des mittleren Tisches zwischen Hash Renfrew (einem Rancher, der noch größer und vierschrötiger als Lengyll war) und Thorins ziemlich mürrischer Schwester Coral. Renfrew hatte dem Punsch tüchtig zugesprochen; jetzt, als die Suppe aufgetragen wurde, stellte sich heraus, dass sein Bierkonsum dem in nichts nachstand.
Er redete über das Fischereigeschäft (»nicht was es mal war, Junge, obwohl
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