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Der Dunkle Turm 6 - Susannah

Titel: Der Dunkle Turm 6 - Susannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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gewordene, wertlose Kruzifix aus der Hand gepflückt. Wieso war er dazu imstande gewesen? Weil – seht das Paradoxon, erwägt das Rätsel – Father Callahan es versäumt hatte, das Kruzifix selbst wegzuwerfen. Weil er sich nicht zu der Erkenntnis durchgerungen hatte, dass das Kruzifix lediglich ein Symbol für eine weit gewaltigere Macht war, die wie ein Fluss unter dem Universum, vielleicht unter tausend Universen dahinströmte…
    Ich brauche kein Symbol, dachte Callahan; und dann: Hat Gott mich deshalb leben lassen? Hat er mir eine zweite Chance gegeben, das zu begreifen?
    Das ist möglich, sagte er sich, während seine Hände auf dem Kastendeckel ruhten. Zweite Chancen gehörten nun einmal zu Gottes Spezialitäten.
    »Leute, euer Hund muss die Schnauze halten.« Die gereizte Stimme eines Zimmermädchens, aber sehr weit entfernt. Dann sagte sie: »Madre de Dios, warum ist es hier drinnen so dunkel? Was soll dieser… was soll dieser… L… L…«
    Vielleicht versuchte sie Lärm zu sagen. Jedenfalls brachte sie das Wort nie heraus. Selbst Oy schien jetzt dem Zauber der summenden, singenden Kugel zu erliegen, jedenfalls gab er seinen Protest (und seinen Posten an der Tür) auf und kam ins Zimmer getrottet. Callahan vermutete, dass das Tier an Jakes Seite sein wollte, wenn das Ende kam.
    Der Pere kämpfte darum, seine selbstmörderischen Hände ruhig zu halten. Das Ding im Kasten erhöhte die Lautstärke seines Idiotengesangs, und Callahans Fingerspitzen zuckten als Reaktion darauf. Dann wurden sie wieder still. Immerhin ein Teilsieg, dachte Callahan.
    »Ma’ nix, ich tu’s!« Die Stimme des Zimmermädchens, benommen und eifrig. »Ich will sie sehen. Dios! Ich will sie in Händen halten!«
    Jakes Arme schienen eine Tonne zu wiegen, aber er zwang sie dazu, sich zu strecken und das Zimmermädchen festzuhalten, eine Hispanoamerikanerin mittleren Alters, die bestimmt keine fünfzig Kilo wog.
    Wie Callahan zuvor darum gekämpft hatte, seine Hände ruhig zu halten, so kämpfte er jetzt darum, zu beten.
    Gott, nicht mein Wille, sondern Deiner. Nicht der Töpfer, sondern der Töpferton. Kann ich nichts anderes tun, so hilf mir, es in die Arme zu nehmen und damit aus dem Fenster zu springen, um dieses Teufelsding ein für alle Mal zu zerstören. Aber wenn’s Dein Wille ist, mir zu helfen, es stattdessen zum Schweigen zu bringen – es wieder einschlafen zu lassen –, bitte ich Dich um Deine Kraft. Und hilf mir, mich zu erinnern, dass ich…
    Auch wenn Jake von der Schwarzen Dreizehn wie benommen war, hatte er die Gabe der Fühlungnahme nicht verloren. Jetzt pflückte er den Rest des Gedankens aus dem Verstand des Peres und sprach ihn laut aus, wobei er lediglich das von Callahan benutzte Wort gegen eines austauschte, das Roland sie gelehrt hatte.
    »Ich brauche kein Sigul«, sagte Jake. »Nicht der Töpfer, sondern der Töpferton, und ich brauche kein Sigul!«
    »Gott«, sagte Callahan. Dieses Wort wog schwer wie Stein, aber sobald es ihm über die Lippen gekommen war, folgten die anderen leichter. »Gott, wenn es Dich noch gibt, wenn Du mich noch hörst, hier spricht Callahan. Bitte, bring dieses Ding zum Schweigen, Herr. Bitte, lass es wieder einschlafen. Darum bitte ich Dich im Namen Jesu.«
    »Im Namen des Weißen«, sagte Jake.
    »Eißen!«, kläffte Oy.
    »Amen«, sagte das Zimmermädchen mit bekiffter, gedankenverlorener Stimme.
    Für einen Augenblick wurde der leiernde Idiotengesang eine Stufe lauter, und Callahan begriff, dass die Sache hoffnungslos war, dass nicht einmal Gott der Allmächtige gegen die Schwarze Dreizehn ankam.
    Dann verstummte sie.
    »Gott sei gedankt«, flüsterte er und merkte nun, dass er von Kopf bis Fuß in Schweiß gebadet war.
    Jake brach in Tränen aus und drückte Oy an sich. Auch das Zimmermädchen begann zu weinen, hatte aber niemanden, der es tröstete. Während Pere Callahan das eng gewirkte (und eigenartig schwere) Gewebe der Bowlingtasche wieder über den Kasten aus Geisterholz zog, wandte Jake sich dem Zimmermädchen zu und sagte: »Ihr solltet ein Nickerchen machen, Sai.«
    Das war das Einzige, was ihm einfiel, und es wirkte. Das Zimmermädchen wandte sich ab und ging quer durchs Zimmer zum Bett. Sie streckte sich darauf aus, zog ihren Rock über die Knie herunter und schien dann sofort in Bewusstlosigkeit zu fallen.
    »Glaubst du, dass sie weiter schlafen wird?«, fragte Jake den Pere mit halblauter Stimme. »Weil… Pere… das war verdammt knapp.«
    Schon möglich, aber

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