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Der Dunkle Turm 7 - Der Turm

Titel: Der Dunkle Turm 7 - Der Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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Alte nahm ihn entgegen, hielt ihn in beiden Händen und tat dann etwas, was das Herz des Revolvermanns erwärmte und zugleich frösteln ließ: Er küsste den Lauf mit alten, welken Lippen.
    »Was schmeckt Ihr dort?«, fragte Roland mit aufrichtiger Neugierde.
    »Die Jahre, Revolvermann«, sagte Moses Carver. »Das tue ich.« Und mit diesen Worten hielt er seiner Tochter die Waffe wieder mit dem Griff voraus hin.
    Marian gab sie gleich an Roland weiter, als wäre sie froh, sich von ihrem ernsten, todbringenden Gewicht befreien zu können, worauf er die Waffe wieder in das Holster steckte und anschließend den Patronengurt darumwickelte.
    »Bitte treten … tritt ein«, sagte sie. »Auch wenn deine Zeit beschränkt ist, wollen wir sie so fröhlich gestalten, wie es deine Trauer zulässt.«
    »Darauf ein Amen!«, sagte der Alte und schlug Roland auf die Schulter. »Sie lebt noch, meine Odetta … die Sie Susannah nennen. Das ist immerhin etwas. Ich dachte, Sie würden sich freuen, das zu hören, Sir.«
    Roland war froh darüber, nickte seinen Dank.
    »Komm jetzt, Roland«, sagte Marian Carver. »Komm, und sei uns willkommen, denn das hier ist auch dein Haus, und wir wissen, dass du uns wahrscheinlich nie wieder besuchen wirst.«
     
     
    10
     
    Marian Carvers Büro lag in der Nordwestecke des neunundneunzigsten Stocks. Hier waren die Fensterwände durch keine einzige Strebe oder Stütze unterbrochen, und die Aussicht verschlug dem Revolvermann fast den Atem. Blickte man an dieser Ecke stehend hinaus, hatte man das Gefühl, über einer Skyline, die phantastischer war, als irgendjemand sie sich hätte vorstellen können, in der Luft zu hängen. Trotzdem hatte er sie schon einmal gesehen, erkannte er doch jene Hängebrücke und einige der diesseitigen Wolkenkratzer wieder. Die Brücke musste er wiedererkennen, weil sie alle in einer anderen Welt beinahe auf ihr gestorben wären. Von dieser Brücke aus war Jake von Schlitzer entführt und zum Ticktackmann verschleppt worden. Das hier war nichts anderes als die Stadt Lud, wie sie zu ihrer Blütezeit ausgesehen haben musste.
    »Das ist New York?«, sagte er. »So nennt ihr die Stadt, richtig?«
    »Ja«, sagte Nancy Deepneau.
    »Und die hängende Brücke dort drüben?«
    »Die George Washington Bridge«, sagte Marian Carver. »Für die Einheimischen einfach die GWB.«
    Dort drüben lag also nicht nur die Brücke, auf der sie nach Lud gelangt waren, sondern daneben auch die Fußgängerbrücke, auf der Pere Callahan damals New York verlassen hatte, um seine Wanderschaft anzutreten. An dieses Detail aus dessen Erzählung konnte Roland sich sehr wohl erinnern.
    »Darf ich Ihnen eine Erfrischung anbieten?«, fragte Nancy.
    Er wollte schon dankend ablehnen, merkte dann aber, wie ihm der Kopf schwamm, worauf er seine Meinung änderte. Eine Erfrischung, ja, aber nur etwas, was den Geist schärfte, weil dieser scharf bleiben musste. »Tee, wenn ihr welchen habt«, sagte er. »Heißen, starken Tee mit Zucker oder Honig. Geht das?«
    »Das geht«, sagte Marian und drückte eine Taste des Geräts auf ihrem Schreibtisch. Sie sprach mit jemandem, den Roland nicht sehen konnte, und auf einmal kam ihm auch die Frau im Vorzimmer, die scheinbar Selbstgespräche geführt hatte, weniger unvernünftig vor.
    Nachdem Marian heiße Getränke und Sandwiches (die Roland für sich wohl immer als Popkins bezeichnen würde) bestellt hatte, beugte sie sich nach vorn und lenkte Rolands Blick auf sich. »Unsere Begegnung in New York ist eine glückliche, Roland, so hoffe ich doch, aber dein Besuch hier ist nicht … ist nicht entscheidend wichtig. Und ich vermute, du weißt auch, warum.«
    Der Revolvermann dachte darüber nach, dann nickte er. Ein wenig zurückhaltend, aber im Lauf der Jahre hatte er sich eine gewisse Vorsicht angewöhnt. Es gab andere – Alain Johns war einer davon gewesen, Jamie DeCurry ein weiterer –, die von Natur aus vorsichtig waren, aber bei Roland, der schon immer dazu geneigt hatte, erst zu schießen und dann Fragen zu stellen, war das nie der Fall gewesen.
    »Nancy hat dich aufgefordert, die Plakette im Garten des Balkens zu lesen«, sagte Marian. »Hast du …«
    »Garten des Balkens, sagt Gott!«, warf Moses Carver ein. Auf dem Weg ins Büro seiner Tochter hatte er aus einem Ständer in Form eines nachgeahmten Elefantenfußes einen Krückstock gezogen, mit dem er jetzt auf den luxuriösen Teppichboden stieß, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Marian nahm die

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