Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
Fernsehkameras waren, aber sie hatte diesem Gefühl nicht misstraut, noch bevor Roland gesprochen und es bestätigt hatte. Und sie brauchte Oy, dessen Kopf wie das Pendel einer Standuhr hin- und herschwang, nur anzusehen, um zu wissen, dass auch er das spürte.
»Und war er ein guter Dinh, dieser Kennedy?«, fragte Roland wieder mit normaler Stimme. Sie trug trotz des Brausens in der Luft gut. Susannah stellte etwas Wunderbares fest: Sie fror ausnahmsweise nicht, obwohl die Luft hier in der Nähe des brausenden Flusses feuchtkalt war. Sie war viel zu sehr auf die Welt um sich herum konzentriert, um zu frieren. Zumindest gegenwärtig.
»Na ja, das haben nicht alle gefunden, vor allem der Spinner nicht, der ihn erschossen hat, aber ich schon«, antwortete sie. »Als Kandidat hat er den Leuten erzählt, dass er große Veränderungen plant. Wahrscheinlich haben nicht mal die Hälfte der Wähler geglaubt, dass er das ernst meint, weil nämlich die meisten Politiker aus demselben Grund lügen, aus dem ein Affe am Schwanz hängend von einem Ast baumelt – einfach weil er’s kann. Aber sowie er gewählt war, hat er angefangen, die Dinge anzugehen, die er versprochen hatte. Es kam zu einem Showdown wegen einer Insel namens Kuba, und er war genauso tapfer wie … tja, sagen wir einfach, dass es dir gefallen hätte, mit ihm zu reiten. Als gewisse Leute gesehen haben, wie ernst er es tatsächlich meint, haben diese Arschlöcher den Spinner angeworben, damit der ihn erschießt.«
»Oz-walt.«
Sie nickte, ohne sich die Mühe zu machen, seine Aussprache zu korrigieren, weil sie merkte, dass es daran eigentlich nichts zu korrigieren gab. Oz-walt. Oz. So schloss der Kreis sich wieder, nicht wahr?
»Und Johnson hat das Amt übernommen, nachdem Kennedy gefallen war.«
»Jawoll.«
»Wie hat er abgeschnitten?«
»Das war noch nicht abzusehen, als ich New York verlassen habe. Aber er war eher der Typ, der es gewohnt war, das übliche Spiel zu spielen. ›Mitmarschieren, um voranzukommen‹, haben wir dazu gesagt. Du weißt wahrscheinlich, was ich damit meine?«
»Ja, in der Tat«, sagte er. »Und, Susannah, ich glaube, wir sind da.« Roland brachte Ho Fats Luxustaxi zum Stehen. Er stand mit den Handgriffen in den Fäusten da und betrachtete Le Casse Roi Russe.
2
Des Königs Weg endete hier und führte auf einen weiten mit Steinen gepflasterten Vorhof, den die Männer des Scharlachroten Königs einst bestimmt so pflichtbewusst bewacht hatten, wie Königin Elisabeths Beefeaters den Buckingham-Palast bewachten. Ein Auge, im Lauf der Jahre nur wenig verblasst, war mit roter Farbe aufs Pflaster gemalt worden. Auf dem Hof stehend, konnte man nur erraten, was es war, aber von den oberen Stockwerken des Schlosses aus würde das Auge die Aussicht nach Nordwesten beherrschen, wie Susannah vermutete.
Dasselbe verdammte Ding ist wahrscheinlich auch in allen anderen Himmelsrichtungen aufgemalt, dachte sie.
Über diesem Vorhof spannte sich zwischen zwei verlassenen Wachttürmen ein anscheinend frisch gemaltes Spruchband. In Schablonenschrift (ebenfalls rot, weiß und blau) war darauf zu lesen:
WILLKOMMEN, ROLAND UND SUSANNAH!
(OY AUCH!)
KEEP ON ROCKIN’ IN DER FREIEN WELT!
Das Schloss jenseits des Vorhofs (und des kanalisierten Flusses, der als Wassergraben diente) war tatsächlich aus dunkelroten Steinblöcken erbaut worden, die sich im Lauf der Jahre fast schwarz verfärbt hatten. Aus dem Hauptgebäude sprossen Türmchen und Türme in die Höhe und schwollen auf eine Art und Weise an, die dem Auge wehtat und die Schwerkraft zu besiegen schien. Das eigentliche Schloss inmitten dieser verspielten Anbauten war nüchtern und schmucklos bis auf das in den Schlussstein des Torbogens über dem Haupteingang eingehauene starrende Auge. Zwei der hohen Laufstege waren eingestürzt und hatten den großen Hof mit Steintrümmern überschüttet, aber sechs weitere waren noch intakt und überschnitten sich auf verschiedenen Ebenen, was Susannah an ein Autobahnkreuz mit zahlreichen Ein- und Ausfahrten erinnerte. Wie schon bei den Häusern waren auch hier die Türen und Fenster eigenartig schmal. Wohl genährte schwarze Krähen saßen auf Fenstersimsen und waren auf den hohen Laufstegen aufgereiht, von denen sie auf die drei herabblickten.
Susannah, die Rolands Revolver so im Gürtel stecken hatte, dass sie ihn leicht erreichen konnte, schwang sich von der Rikscha. Sie gesellte sich zu Roland und begutachtete mit ihm das
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