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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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bevor sie den Landstrich, den die Uffis Empathica nannten, durchquert hatten), rollten auf der Ladefläche von Ho Fats Luxustaxi noch Büchsen mit Bohnen und Thunfisch und Cornedbeef umher, und momentan war ihr Bauch auch gefüllt. Es war die Kälte, die sie allmählich umbrachte. Zumindest fühlte es sich so an; die Kälte schien sich einen schmerzhaften Zentimeter nach dem anderen auf ihr Herz zuzuarbeiten.
    Zwei Dinge hielten sie dann doch noch zurück. Das erste war die Erkenntnis, dass ein einziger Schritt nach vorn genügen würde, um ihr den letzten Rest Willenskraft zu rauben; sie würde in die Brückenmitte hüpfen, sich auf den großen Korb mit Kleidung stürzen und darin wie eine beutegierige Hausfrau beim alljährlichen Weißwäsche-Sonderverkauf bei Filene’s herumwühlen. Nach diesem ersten Schritt würde es kein Halten mehr geben. Und der Verlust ihrer Willenskraft wäre nicht einmal das Schlimmste gewesen, sondern sie würde auch die Selbstachtung verlieren, um die Odetta Hohnes trotz der kaum vermuteten Saboteurin, die in ihrem Verstand auf der Lauer lag, ihr Leben lang gekämpft hatte.
    Trotzdem hätte selbst das vielleicht nicht genügt, um sie zurückzuhalten. Den Ausschlag gab die Erinnerung an den Tag, an dem sie die Krähe mit dem grünen Zeug im Schnabel gesehen hatten – diese Krähe, die kruu, kruu! statt kräh, kräh! gekrächzt hatte. Nur Teufelsgras, gewiss, aber trotzdem grünes Zeug. Lebendes Zeug. An jenem Tag hatte Roland sie aufgefordert, die Zunge zu hüten, hatte warnend gesagt … Was hatte er gleich wieder gesagt? Vor dem Sieg kommt die Versuchung. Sie hätte zwar nie auch nur vermutet, dass die größte Versuchung ihres Lebens ein dicker Pullover mit Zopfmuster sein könnte, aber …
    Plötzlich begriff sie, was der Revolvermann vielleicht nicht von Anfang an, aber doch bald nach dem Auftauchen der drei Stephen Kings gewusst haben musste: Das Ganze war ein Schwindel. Sie wusste nicht, was die Weidenkörbe genau enthielten, aber sie hatte verdammt starke Zweifel daran, dass es sich tatsächlich um Essen und Kleidung handelte.
    Sie blieb bei ihrer Entscheidung.
    »Nun?«, sagte Fimalo geduldig. »Wollt ihr nicht kommen und euch die Geschenke holen, die ich für euch habe? Holen müsst ihr sie euch schon selbst, weiter als bis zur Brückenmitte darf ich mich nämlich nicht vorwagen. Unmittelbar vor Femalo und Fumalo verläuft die Todeslinie des Königs. Ihr könnt sie unbesorgt in beiden Richtungen passieren. Wir dagegen nicht.«
    »Wir danken dir für deine Freundlichkeit, Sai«, sagte Roland, »aber wir werden auf diese Geschenke verzichten. Wir haben Proviant, und warme Pelzkleidung erwartet uns, die zwar vorläufig noch auf Hufen wandelt. Außerdem ist es wirklich nicht so kalt.«
    »Stimmt«, sagte Susannah und lächelte dabei den drei identischen – und identisch sprachlos verblüfften – Gesichtern entgegen. »Wirklich nicht so kalt.«
    »Also, wir wollen weiter«, sagte Roland und deutete eine weitere Verbeugung über dem vorgestellten Bein an.
    »Sagen unseren Dank, möge es euch wohl ergehen«, fügte Susannah hinzu und spreitete wieder ihre unsichtbaren Röcke.
    Roland und sie machten sich daran, sich abzuwenden. Im gleichen Augenblick griffen Femalo und Fumalo, beide noch auf den Knien, in die offenen Körbe vor sich.
    Susannah brauchte keinen Befehl von Roland, nicht einmal ein gerufenes Wort. Sie riss den Revolver aus dem Gürtel und schoss den Mann zu ihrer Linken – Fumalo – nieder, als er eben eine langläufige silbrige Waffe aus dem Korb zog. Von ihrem Lauf hing etwas herab, was wie ein Schal aussah. Roland hatte seinen Revolver so blitzschnell wie immer gezogen und einen einzigen Schuss abgegeben. Über ihnen flatterten die Krähen angstvoll krächzend auf und verdunkelten für einen Moment den blauen Himmel. Femalo, der ebenfalls eine silbrige Waffe in Händen hielt, sackte über seinen Essenskorb langsam nach vorn: mit einem ersterbenden überraschten Ausdruck auf dem Gesicht und einem Einschussloch mitten in der Stirn.
     
     

5
     
    Fimalo blieb stehen, wo er war, jenseits der Brücke. Die Hände hatte er weiterhin gefaltet, aber er sah nicht mehr wie Stephen King aus. Er trug jetzt das hagere, gelbliche Gesicht eines alten Mannes, der langsam und nicht gerade schmerzlos starb. Das schüttere Haar war schmutzig grau, nicht mehr glänzend schwarz. Auf dem Schädel wucherten schuppige Ekzeme. Wangen, Kinn und Stirn waren mit Pickeln und offenen

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