Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
Geschwüren bedeckt, die teils eiterten, teils blutig nässten.
»Wer bist du wirklich?«, fragte Roland ihn.
»Ein Hume, genau wie ihr«, sagte Fimalo resigniert. »In meinen Jahren als Lordkanzler des Scharlachroten Königs habe ich Rando Thoughtful geheißen. Aber davor war ich einfach Austin Cornwell aus dem Bundesstaat New York. Nicht in der Fundamentalen Welt, muss ich leider sagen, sondern in einer anderen. Ich habe eine Zeit lang die Niagara Mall geleitet und war zuvor in der Werbebranche erfolgreich. Vielleicht interessiert euch, dass ich Werbung für Produkte wie Nozz-A-La und den Takuro Spirit gestaltet habe.«
Susannah ging auf diesen bizarren und unerwarteten Lebenslauf nicht ein. »Er hat seinen wichtigsten Mann also doch nicht enthaupten lassen«, stellte sie fest. »Was war das mit den drei Stephen Kings?«
»Nur Glammer«, sagte der Alte. »Wollt ihr mich auch umbringen? Nur zu! Ich bitte euch nur, es kurz zu machen. Wie ihr seht, geht’s mir nicht besonders.«
»War irgendwas von dem, was ihr uns erzählt habt, wahr?«, fragte Susannah.
Seine alten Augen betrachteten sie mit wässrigem Erstaunen. »Alles war wahr«, sagte er und betrat die Brücke, auf der zwei weitere alte Männer – früher bestimmt einmal Untergebene von ihm – längelang ausgestreckt lagen. »Oder nahezu alles, wenn man von einer einzigen Lüge absieht … und dem hier.« Er warf die Körbe mit zwei Fußtritten um, sodass ihr Inhalt herauskippte.
Susannah schrie unwillkürlich entsetzt auf. Oy fuhr wie der Blitz hoch und baute sich mit gespreizten kurzen Beinen und gesenktem Kopf schützend vor ihr auf.
»Schon gut«, sagte sie, aber ihre Stimme zitterte noch. »Ich war nur … überrascht.«
Der Weidenkorb, der scheinbar alle möglichen gebratenen Fleischstücke enthalten hatte, war in Wirklichkeit mit verwesenden menschlichen Gliedmaßen gefüllt gewesen – also doch mit Langschwein, noch dazu in erbärmlich schlechtem Zustand. Das überwiegend blauschwarze Fleisch wimmelte von Maden.
Und der andere Korb enthielt nicht etwa Kleidungsstücke. Was Fimalo herausgekippt hatte, war in Wirklichkeit ein glänzender Klumpen verendender Schlangen. Ihre gelben Augen waren trübe; die gespaltenen Zungen züngelten lustlos; einige bewegten sich schon nicht mehr.
»Ihr hättet sie wunderbar erfrischt, wenn ihr sie an euch gedrückt hättet«, sagte Fimalo bedauernd.
»Ihr habt doch nicht tatsächlich erwartet, dass das geschehen würde, oder?«, fragte Roland ihn.
»Nein«, sagte der Alte. Er ließ sich müde seufzend auf der Brücke nieder. Als eine der Schlangen auf seinen Schoß kriechen wollte, wischte er sie mit einer Bewegung beiseite, die geistesabwesend und ungeduldig zugleich war. »Aber ich hatte meine Befehle, die hatte ich.«
Susannah starrte die Leichen der beiden anderen mit entsetzter Faszination an. Femalo und Fumalo, jetzt lediglich zwei tote alte Männer, verwesten unnatürlich schnell, wobei ihre pergamentartige Haut auf die Knochen zurückwich und träge Eiterrinnsale austreten ließ. Während Susannah das beobachtete, tauchten die Augenhöhlen von Femalos Schädel wie zwei Periskope auf und verliehen ihm sekundenlang einen schockierten Ausdruck. Einige der Schlangen wanden und schlängelten sich inzwischen um die verwesenden Leichen. Andere krochen in den Korb mit den von Maden wimmelnden Gliedmaßen – zweifellos auf der Suche nach den wärmeren tieferen Regionen. Die Verwesung brachte ihr eigenes zeitweiliges Fieber mit sich, und Susannah vermutete, dass sie selbst in Versuchung gewesen wäre, seine Wärme möglichst zu genießen. Das heißt, wenn sie eine Schlange gewesen wäre.
»Werdet ihr mich umbringen?«, fragte Fimalo.
»Nay«, sagte Roland, »weil du nämlich noch einen weiteren Auftrag auszuführen hast. Nach uns wird noch jemand hierherkommen.«
Fimalo hob den Kopf. In den wässrigen alten Augen blitzte Interesse auf. »Euer Sohn?«
»Meiner, aber auch der deines Herrn. Würdest du ihm bei eurem Palaver etwas von mir ausrichten?«
»Wenn ich bis dahin lebe und es ausrichten kann, gewiss.«
»Richte ihm aus, dass ich alt und erfahren bin, während er nichts als jung ist. Bestell ihm, dass er sich seine Racheträume vielleicht noch etwas länger bewahren kann, wenn er sich zurückhält … auch wenn ich nicht weiß, was ich getan habe, um seine Rache zu verdienen. Und sag ihm, dass ich ihn töten werde, sollte er mich angreifen, genau wie ich vorhabe, seinen Roten Vater zu
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