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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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streckte die Hand danach aus, worauf Jake den Schlüssel ein wenig zurückzog. Die gespiegelten Lichtkreise tanzten hypnotisch auf dem Gesicht des Polizisten. »Sie müssen ihn nicht nehmen«, sagte Jake. »Sie können meinen Namen auch so lesen, oder nicht?«
    »Ja, klar.«
    Das Gesicht des Polizisten war nicht mehr neugierig. Er sah nur noch den Schlüssel an. Sein Blick war starr und weit, aber nicht völlig leer. Jake las Erstaunen und unerwartetes Glücksgefühl in diesem Blick. Schau an, dachte Jake. Wohin ich gehe, verbreite ich Freude und guten Willen. Die Frage ist, was mache ich jetzt?
    Eine junge Frau (keine Bibliothekarin, das sah man an den Hot pants aus grüner Seide und der durchsichtigen Bluse) kam mit purpurroten Fick-mich-Schuhen mit zehn Zentimeter hohen Pfennigabsätzen den Gehweg entlanggewedelt und -getänzelt. Sie sah erst den Polizisten an, dann Jake, weil sie wissen wollte, wen sich der Bulle vorgeknöpft hatte. Als sie den Schlüssel sah, klappte sie den Mund auf und blieb ruckartig stehen. Sie griff mit einer Hand zum Hals. Ein Mann stieß mit ihr zusammen und sagte ihr, sie solle doch verdammt noch mal aufpassen, wohin sie ging. Die junge Frau, die höchstwahrscheinlich keine Bibliothekarin war, schenkte ihm nicht die geringste Beachtung. Jetzt sah Jake, daß noch vier oder fünf andere Passanten stehengeblieben waren. Alle starrten den Schlüssel an. Sie versammelten sich, wie es die Leute manchmal bei einem sehr guten Taschenspieler machten, der an einer Straßenecke seinem Gewerbe nachging.
    Du stellst es echt prima an, unauffällig zu sein, dachte er. Super. Er sah über die Schulter des Polizisten, und sein Blick fiel auf ein Schild auf der anderen Straßenseite. Denby’s Discount-Drogerie stand darauf.
    »Mein Name ist Tom Denby«, sagte er zu dem Polizisten. »Das steht auch hier auf meinem Discountbowlingausweis – richtig?«
    »Richtig, richtig«, hauchte der Polizist. Er hatte jegliches Interesse an Jake verloren; er interessierte sich nur noch für den Schlüssel. Die kleinen Münzen reflektierten Lichts tanzten und kreisten auf seinem Gesicht.
    »Und Sie suchen nicht nach jemand mit Namen Tom Denby, oder?«
    »Nein«, sagte der Polizist. »Nie von ihm gehört.«
    Jetzt hatten sich mindestens ein halbes Dutzend Menschen um den Polizisten versammelt, die alle stumm und staunend den silbernen Schlüssel in Jakes Hand anstarrten.
    »Also kann ich gehen, ja?«
    »Hm? Oh! Oh, klar – geh, bei deinem Vater!«
    »Danke«, sagte Jake, aber einen Augenblick war er nicht sicher, wie er gehen sollte. Er steckte in einer stummen Meute Zombies, und jeden Augenblick wurden es mehr. Ihm wurde klar, daß sie nur kamen, um zu sehen, was das alles zu bedeuten hatte, aber diejenigen, die den Schlüssel sahen, blieben wie angewurzelt stehen.
    Er stand auf, ging langsam die breiten Treppenstufen der Bank hinauf und hielt den Schlüssel vor sich wie ein Löwenbändiger einen Stuhl. Als er den breiten betonierten Vorplatz oben erreicht hatte, steckte er ihn wieder in die Hosentasche, drehte sich um und lief weg.
    Er blieb nur einmal am gegenüberliegenden Ende des Platzes stehen und drehte sich um. Die kleine Gruppe der Menschen, die unmittelbar um die Stelle herumgestanden waren, wo er sich befunden hatte, erwachte langsam wieder zum Leben. Sie sahen einander mit benommenen Gesichtern an und gingen weiter. Der Polizist sah mit leerem Blick nach rechts, nach links und dann zum Himmel, als wollte er sich erinnern, wie er hierhergekommen war und was er vorgehabt hatte. Jake hatte genug gesehen. Es wurde Zeit, daß er seinen Kadaver zu einer U-Bahn-Haltestelle schleppte und nach Brooklyn fuhr, bevor noch etwas Unheimliches geschehen konnte.
     
     

13
     
    Um Viertel vor zwei an diesem Nachmittag schritt er langsam die Treppe der U-Bahn-Haltestelle hinauf und stand an der Ecke Castle und Brooklyn Avenues, wo er die Sandsteintürme von Co-Op City betrachtete. Er wartete auf das Gefühl von Gewißheit und Richtungssinn – das Gefühl, das so war, als könnte er sich vorwärts in der Zeit erinnern. Es stellte sich nicht ein. Nichts stellte sich ein. Er war nur ein gewöhnlicher Junge, der an einer heißen Straßenecke in Brooklyn stand, wo sein kurzer Schatten wie ein müdes Schoßtier zu seinen Füßen lag.
    Nun, ich bin hier… und was soll ich jetzt tun?
    Jake mußte feststellen, daß er nicht die leiseste Ahnung hatte.
     
     

14
     
    Rolands kleine Gruppe Reisender kam zur Bergkuppe des langen,

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