Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
des anderen zu verstehen…«
»Was?« rief Eddie.
»Es stimmt. Ihr teilt eure Gedanken so natürlich, ihr habt nicht einmal mitbekommen, daß es passiert, aber es ist so. Mir fällt es vielleicht leichter, das zu sehen, weil ich kein vollwertiges Mitglied dieses Ka-tet bin – wahrscheinlich, weil ich nicht aus eurer Welt stamme –, daher kann ich nicht in vollem Umfang an diesem Austausch der Gedanken teilhaben. Aber ich kann senden. Susannah… erinnerst du dich noch, als du in dem Kreis gewesen bist?«
»Ja. Du hast mir zugerufen, ich soll den Dämon loslassen, wenn du es sagst. Aber du hast es nicht laut ausgesprochen.«
»Eddie… erinnerst du dich noch, als wir auf der Lichtung waren und die mechanische Fledermaus auf dich zugekommen ist?«
»Ja. Du hast mir gesagt, ich soll runter.«
»Er hat den Mund nicht aufgemacht, Eddie«, sagte Susannah.
»Doch, das hast du! Du hast gebrüllt! Ich hab’ dich gehört, Mann!«
»Ich habe gebrüllt, das stimmt, aber mit dem Verstand.« Der Revolvermann wandte sich an Jake. »Kannst du dich noch erinnern? In dem Haus?«
»Als das Brett, an dem ich gezogen habe, sich nicht gelöst hat, hast du mir gesagt, ich soll das andere nehmen. Aber wenn du meine Gedanken nicht lesen kannst, Roland, woher hast du dann gewußt, in welchen Schwierigkeiten ich stecke?«
»Ich habe es gesehen. Ich habe nichts gehört, aber gesehen – nur ein wenig, wie durch ein schmutziges Fenster.« Sein Blick glitt über sie. »Diese Nähe, das Teilen von Gedanken, nennt man Khef, ein Wort, das in der ursprünglichen Sprache der alten Welt noch viele Bedeutungen hat – Wasser, Geburt und Lebenskraft sind nur drei davon. Seid euch dessen bewußt. Vorerst verlange ich nicht mehr.«
»Kann man sich eines Dings bewußt sein, an das man nicht glaubt?« fragte Eddie.
Roland lächelte. »Sei einfach nur aufgeschlossen.«
»Das kann ich.«
»Roland?« Das war Jake. »Glaubst du, Oy könnte auch Teil unseres Ka-tet sein?«
Susannah lächelte. Roland nicht. »Ich bin momentan nicht einmal imstande, auch nur eine Vermutung anzustellen, aber ich will dir eines sagen, Jake – ich habe viel über unseren pelzigen Freund nachgedacht. Ka beherrscht nicht alles, und Zufälle sind immer noch möglich… aber das plötzliche Auftauchen eines Billy-Bumblers, der sich noch an Menschen erinnert, scheint mir kein Zufall zu sein.«
Er drehte sich zu ihnen um.
»Ich werde anfangen. Eddie wird als nächster sprechen und dort fortfahren, wo ich aufgehört habe. Dann Susannah. Du, Jake, sprichst als letzter. Einverstanden?«
Sie nickten.
»Prima«, sagte Roland. »Wir sind Ka-tet – eins aus vielen. Das Palaver soll beginnen.«
20
Sie redeten bis Sonnenuntergang und machten nur einmal Pause für eine kalte Mahlzeit, und als es vorbei war, hatte Eddie das Gefühl, als hätte er zwölf harte Runden mit Sugar Ray Leonard hinter sich. Er zweifelte nicht mehr daran, daß sie ›Khef geteil‹ hatten, wie Roland sagte; er und Jake schienen buchstäblich das Leben des anderen in Träumen gelebt zu haben, als wären sie zwei Hälften eines Ganzen.
Roland fing damit an, was unter den Bergen geschehen war, wo Jakes erstes Leben in dieser Welt zu Ende gegangen war. Er erzählte von seinem Palaver mit dem Mann in Schwarz und Walters verschleierten Worten über das Tier und jemand, den er den Zeitlosen Fremden nannte. Er erzählte von dem seltsamen, erschreckenden Traum, den er gehabt hatte, ein Traum, in dem das gesamte Universum von einem Strahl fantastischen weißen Lichts verschlungen worden war. Und wie am Ende dieses Traums nur ein einziger purpurner Grashalm übriggeblieben war.
Eddie sah zur Seite zu Jake und war verblüfft über das Wissen – das Wiedererkennen – in den Augen des Jungen.
21
Während seines Deliriums hatte Roland Teile seiner Geschichte in Eddies Gegenwart herausgeplappert, aber für Susannah war sie völlig neu, und diese lauschte mit aufgerissenen Augen. Als Roland die Worte wiederholte, die Walter zu ihm gesprochen hatte, sah sie Bruchstücke ihrer eigenen Welt wie Reflexionen in einem zerbrochenen Spiegel: Automobile, Krebs, Raketen zum Mond, künstliche Befruchtung. Sie hatte keine Ahnung, was das Tier sein konnte, aber den Namen des Zeitlosen Fremden erkannte sie als Variation des Namens von Merlin, dem Magier, der angeblich den Aufstieg von König Arthur unterstützt hatte. Es wurde immer seltsamer.
Roland erzählte, wie er aufgewacht war und festgestellt
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