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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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verlieh es Sheriff Avery eine Autorität, die er sonst vielleicht nicht ausgestrahlt hätte.
    Der Raum stand voller Möbelstücke, die zu jener Zeit und an jenem Ort »Nacktrücken-Bänke« genannt wurden – Sitzreihen aus Eichenholz ohne Polster, weder für Hintern noch für Rücken. Alles in allem sechzig; je dreißig zu beiden Seiten des breiten Mittelgangs. Jonas, Depape und Reynolds saßen auf der ersten Bank links des Gangs. Roland, Cuthbert und Alain auf der ersten Bank rechts. Reynolds und Depape sahen mürrisch und verlegen drein; Jonas distanziert und gefasst. Will Dearborns kleiner Trupp wirkte ruhig. Roland hatte Cuthbert einen Blick zugeworfen, den der Junge hoffentlich verstanden hatte: Eine einzige klugscheißerische Bemerkung, und ich reiße dir die Zunge aus dem Maul. Er glaubte, dass die Botschaft angekommen war. Bert hatte seinen idiotischen »Wachposten« irgendwo verstaut, was schon einmal ein gutes Zeichen war.
    »Ein schönes Durcheinander«, wiederholte Avery und blies mit einem tiefen Seufzer alkoholgeschwängerten Atem in ihre Richtung. Er saß auf dem Bühnenrand, ließ die Beine herabbaumeln und sah alle mit einer Art angewiderter Verwunderung an.
    Die Seitentür ging auf, und Hilfssheriff Dave kam herein; er hatte seine weiße Kellnerjacke abgelegt und sein Monokel in der Tasche seines Khakihemds, das er üblicherweise trug, verstaut. In einer Hand hielt er einen Becher, in der anderen ein zusammengefaltetes Etwas, das für Roland wie Birkenrinde aussah.
    »Hast du die erste Hälfte gekocht, David?«, fragte Avery. Sein Gesicht trug nun einen gequälten Ausdruck.
    »Aye.«
    »Zweimal gekocht?«
    »Aye, zweimal.«
    »So lauteten nämlich die Anweisungen.«
    »Aye«, wiederholte Dave mit ergebener Stimme. Er reichte Avery den Becher und warf das restliche Stück Birkenrinde hinein, als ihm der Sheriff den Becher dann hinhielt.
    Avery wirbelte die Flüssigkeit herum, sah mit einem zweifelnden, resignierten Blick hinein und trank. Er verzog das Gesicht. »Bäh, widerlich!«, schrie er. »Wie kann etwas nur so abscheulich sein?«
    »Was ist das?«, fragte Jonas.
    »Kopfschmerzpulver. Katerpulver, könnte man sagen. Von der alten Hexe. Die droben auf dem Cöos lebt. Wisst ihr, wo ich meine?« Avery sah Jonas mit einem wissenden Blick an. Der alte Haudegen tat so, als hätte er ihn nicht gesehen, aber Roland glaubte, dass er ihn doch gesehen hatte. Und was hatte er zu bedeuten? Noch ein Geheimnis.
    Beim Wort Cöos sah Depape auf, dann machte er sich wieder daran, seinen verletzten Finger zu lutschen. Neben Depape saß Reynolds, der den Mantel um sich geschlungen hatte und grimmig auf seinen Schoß blickte.
    »Wirkt es?«, fragte Roland.
    »Aye, Junge, aber man bezahlt seinen Preis für Hexenmedizin. Vergiss das nie: Man muss immer bezahlen. Das hier nimmt einem die Kopfschmerzen, wenn man zu viel vom verdammten Punsch des Bürgermeisters trinkt, aber es zwickt nicht schlecht in den Eingeweiden. Und erst die Fürze!« Er winkte mit einer Hand vor seinem Gesicht, um es zu demonstrieren, trank noch einen Schluck aus dem Becher und stellte ihn dann beiseite. Er setzte wieder seine ernste Miene auf, aber die Stimmung im Raum war etwas unbeschwerter geworden; alle spürten es. »Was sollen wir nun in dieser Angelegenheit unternehmen?«
    Herk Avery maß sie langsam mit Blicken, von Reynolds rechts außen bis zu Alain – »Richard Stockworth« – ganz links. »Hm, Jungs? Wir haben die Männer des Bürgermeisters auf der einen und die… Männer… des Bundes auf der anderen Seite, sechs Burschen, die um ein Haar gemordet hätten, und weswegen? Wegen einem Schwachsinnigen und einem verschütteten Eimer Kamelpisse.« Er zeigte zuerst auf die Großen Sargjäger, dann auf die Schätzer des Bundes. »Zwei Pulverfässer, und ein dicker Sheriff in der Mitte. Also, was meint ihr dazu? Sprecht, seid nicht schüchtern, unten in Corals Hurenhöhle seid ihr nicht schüchtern gewesen, also seid es auch hier nicht!«
    Niemand sagte etwas. Avery kostete noch einmal von seinem widerlichen Gebräu, stellte es wieder ab und sah sie abwartend an. Was er als Nächstes sagte, überraschte Roland nicht sehr; es war genau das, was er von einem Mann wie Avery erwartet hatte, bis hin zu dem Ton, der besagen sollte, dass er ein Mann sei, der schwere Entscheidungen treffen könne, wenn es darauf ankomme, bei den Göttern.
    »Ich werde euch sagen, was wir machen werden: Wir werden das Ganze vergessen.«
    Nun nahm er die Haltung

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