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Der Durchblicker: Novelle (German Edition)

Der Durchblicker: Novelle (German Edition)

Titel: Der Durchblicker: Novelle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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Zeitbomben. Macht uns noch nicht zu Mördern oder so was. Die Fotze hätte eines Morgens aufwachen können und kräftig gähnen, und bingo! Arrivederci, Roma. Dass es zufällig passiert ist, als ich dem Arsch eins verplättet hab, hat nen Scheiß zu sagen. Ich hab in der Bücherei alles über diesen Hirnblutungsdreck nachgelesen. Pech für Blindfisch, aber das muss ja nicht heißen, dass wir uns unser Leben kaputt machen müssen. Jetzt erzähl mir, dass es Blindfisch wieder lebendig macht, wenn wir in den Bau gehen, das is nämlich Scheiße.
    – Ja schon, aber …, fing ich an.
    – Jetzt hör mal zu, Bri, unterbrach er mich mit wütendem Kopfschütteln.– Blindfisch brauchst du keine Träne nachzuweinen. Sag bloß, der wär keine Nervensäge gewesen. Irgendwann war die Fotze sowieso fällig, so seh ich das.
    – Blindfisch hätte das vielleicht n bisschen anders gesehen, gab ich zurück, wobei mir plötzlich die hässliche Ironie dessen bewusst wurde, was ich gesagt hatte. Die arme Sau. Ich fühlte mich beschissen. Roxy ersparte mir nichts.
    – Gesehen hat Blindfisch einen Scheiß, deswegen hieß er ja Blindfisch, sagte er und verzerrte das Gesicht zu einem bösen Grinsen.
    Wieder wollte ich nur weg. Ich war von Dämonen und Ungeheuern umgeben. Wir sind alle böse Menschen. Die Welt ist hoffnungslos verloren. Ich ging und wanderte allein die stillgelegte Eisenbahnstrecke lang und heulte mir wegen der Sinnlosigkeit von allem die Augen aus.

9
Plastische Chirurgie
    Ich sitze da und halte mit den Händen mein Gesicht zusammen; so kommt’s mir wenigstens vor. Ich nehme Leute um mich wahr, deren empörtes Aufkeuchen darauf schließen lässt, dass es schlimm ist. Das weiß ich. Das Blut tropft durch meine Finger und trifft in stetigen, gleichmäßigen Tropfen auf den Holzboden des Pubs.
    Hobo und ich waren mal enge Freunde, ist jetzt schon ein paar Jahre her. Es passte ihm nicht, dass ich an ihm herumzog und ihn anbettelte, mir was zu besorgen.
    – Geh mir nich auf den Zeiger, Bri, ich warne dich, Mann!
    Ich war reichlich vorgewarnt. Ich hatte Hobo nie ernst genug genommen. Ich hatte immer gedacht, er wär eher n kleiner Poser, dass er immer mit diesen Bekloppten rumhing. Aber andererseits kann man in solcher Gesellschaft selbst zum Bekloppten werden. Er ist ein sehr viel ernst zu nehmenderer Gegner, als ich dachte. Eines Besseren belehrt zu werden schmerzte fast so wie mein Gesicht. Meine Zellen, meine beschissenen junk-unterversorgten Zellen schmerzten am meisten. Ich hatte die letzte Woche beim Smack ziemlich zugeschlagen. Es wurde mir alles ein bisschen viel; ich musste es ausblenden. Alles.
    Eine ausholende Bewegung mit dem Glas hat gereicht. Eine Bewegung, und ich halte hier mein Gesicht zusammen, und Hobo rechtfertigt sich lautstark mit irgendwas über lästige Junkies und zieht sich von der Theke zurück, als sich kollektiver Zorn aufbaut:
    – Das war richtig link …
    – Der Junge hat keinem was getan …
    Hobo verschwindet. Ich hege keinen Groll, keine Rachegedanken. Noch nicht, jedenfalls; ich hab wichtigere Probleme. Ich brauch was, um diesen Turkey loszuwerden. Soll Hobo glauben, ich sei von ihm besessen, würde auf Rache sinnen … es ist alles nur ein göttliches Strafgericht für Blindfisch, und wenn, dann bin ich gut weggekommen. Ich verdiene es, zu leiden …
    Warum ist sie weggegangen.
    Sie ist aus demselben Grund weg, aus dem du ein Glas ins Gesicht bekommen hast, Mann, zwei äußere Anzeichen ein Grund, nämlich, dass du so n verdammter …
    Jemand tupft mein Gesicht mit einem Taschentuch ab. – Schafft ihn besser ins Krankenhaus, das muss genäht werden. Die Stimme einer Frau. Ich kann wenigstens aus einem Auge sehen. Anders als der arme Bli… Nein …
    Ein Goth-Engel der Barmherzigkeit: schwarzes Haar, schwarze Augen, weißes Gesicht … könnte jede x-beliebige Schlampe aus dem City Café sein …
    Ich gehe mit ihr und ein paar anderen die Straße runter, bewusst nehme ich nur sie, meinen kranken Körper und die schneidende Luft auf meinem Gesicht wahr. Verdammt, die Wunden tun jetzt sauweh.– Hast du nen Glasgower Akzent? frage ich diese wohlwollende Goth-Göttin.
    Ich sah es an ihrem Kragen. Den Hammer-und-Sichel-Badge einer stalinistischen Goth-Braut. Die, bei der ich abgeblitzt bin. Die, die Denise angemacht hat.
    – Ich bin aus Ayrshire, sagte sie.
    – Wie sagte Burns noch über Ayr: reich wie kein andres Städtchen an wackren Männern und hübschen Mädchen …
    – Ich bin aus

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