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Der Durchblicker: Novelle (German Edition)

Der Durchblicker: Novelle (German Edition)

Titel: Der Durchblicker: Novelle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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verschlossener als Sandra, wenn auch ausgesprochen nett.
    – Kann ich mal mit dir reden? fragte sie.
    – Sicher, setz dich, lächelte ich. Im Zimmer stand ein Korbstuhl. Meine Laune stieg. Es war offensichtlich, dass sie eine stille Leidenschaft für mich hegte und mich bumsen wollte. Ich hätte längst merken müssen, woher der Wind wehte. Ich verbreiterte mein Lächeln und ließ ein wenig Seele in meine feuchten Augen treten. Das arme Mädchen war in mich vernarrt, und ich hab’s nich mal bemerkt.
    – Das fällt mir jetzt nicht leicht, begann sie,– aber ich muss es einfach sagen.
    Ich hatte Mitgefühl mit ihr.– Hör mal, Avril, du brauchst nichts zu sagen.
    – Darren … Gerard … sie haben es dir gesagt? Ich hab sie doch gebeten, es nicht zu tun! Das hier wollte ich selber sagen!
    – Nein, nein, haben sie nicht … ich mein nur …
    – Wie? Du warst es nicht, oder?
    Das war jetzt verwirrend.– Ich war was nicht?
    Sie holte tief Luft.– Hör mal, ich glaube, wir missverstehen uns hier. Es fällt mir sehr schwer, das auszusprechen.
    – Äh, aber …
    – Hör einfach zu. Ich möchte, dass du weißt, dass ich dich in keiner Weise beschuldige. Ich hab schon mit Darren und Gerard gesprochen. Bis jetzt hatte ich keine Gelegenheit, mit Cliff zu sprechen, aber das werde ich noch. Das ist alles ziemlich peinlich. Es ist nur so, dass Unterwäsche aus meinem Schrank verschwunden ist. Nicht, dass ich dich beschuldige. Ich will mit jedem reden. Es ist nur so, dass mir die Vorstellung nicht gefällt, mit einem Perversen zusammenzuleben.
    – Verstehe, meinte ich, verletzt, enttäuscht, aber jetzt auch neugierig geworden.– Tja, lächelte ich, –ein Perverser bin ich ganz bestimmt, aber keiner von der Sorte.
    Ich erntete ein mildes, kurzes Lachen.– Ich frag ja nur.
    – Na, irgendjemand muss es ja wohl sein. Was dich angeht, kann ich’s genauso gut gewesen sein wie sonst wer. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Cliff oder Darren sich so benehmen würden, nicht mal Gerard. Na ja, Gerard schon, aber nicht so still und heimlich. Das ist nicht sein Stil. Der würde sich mit deinem Höschen überm Kopf in den Pub stellen.
    Der Gedanke schien sie nicht zu amüsieren.– Wie schon gesagt, ich frag ja nur.
    – Du denkst doch nicht, dass ich das war, oder?
    – Ich weiß nicht, was ich denken soll, sagte sie sauer.
    – Na, das ist ja herrlich. Mein Chef hält mich für nen stinkenden Penner, und jemand, mit dem ich zusammenlebe, hält mich für nen Perversen.
    – Wir leben nicht zusammen, verbesserte sie mich eisig,– wir teilen uns eine Wohnung.
    – Schön, sagte ich, als sie aufstand, um zu gehen,– wenn ich bei irgendwem verdächtiges Verhalten sehe, zum Beispiel keine Drogen nehmen, die Miete pünktlich zahlen oder so was in der Art, dann lass ich es dich wissen.
    Sie ging, offenbar unfähig, die komische Seite zu sehen. Das ließ mich darüber nachdenken, wer wohl der Perverse war. Es musste Sandra sein, fand ich.
    Am Donnerstag war ich wieder bei May zum Tee. Ich blieb lange, weil Lisanne, ihre zweitjüngste Tochter, da war. Mit ihr konnte man reden, und hübsch war sie auch. Und außerdem hielt sie mich nicht für nen Perversen, aber so gut kannte sie mich ja auch nicht, schätze ich. Des war unterwegs, und May bestand darauf, mich nach Hause zu fahren.
    Das war ungewöhnlich, aber es war ja auch spät. Ich dachte mir nichts dabei, als ich in den Wagen stieg. Sie war geschwätzig, aber auf eine nervöse Art, während wir die Uxbridge Road entlangfuhren. Dann bog sie an einer Seitenstraße ein und hielt auf einem Parkplatz hinter ein paar Läden.
    – He, was ist denn, May? fragte ich. Ich dachte, mit dem Wagen müsste was nicht stimmen.
    – Und Lisanne gefällt dir also? fragte sie.
    Ich war etwas verlegen.– Äh, tja, sie ist n wirklich nettes Mädchen.
    – Ich staune, dass du selber keine Freundin hast.
    – Na ja, ich leg mich nicht so gerne fest.
    – Du bist wohl einer von der »Lieben-und-Verlassen«-Sorte?
    – Na ja, so würde ich das nun auch nicht sagen …
    Ich war eher einer von der »Ich-liebe-sie-und-sie-verlassen-mich«-Sorte.
    Sie steckte einen Finger in einen der Risse meiner Jeans und fing an, meinen nackten Oberschenkel zu streicheln. Ihre Hände waren teigig, ihre Finger kleine Stummel.– Da hatte Mister Gleaves schon recht. Du wirst in eine neue Jeans investieren müssen.
    – Äh, ja, gab ich zurück. Ich fühlte mich etwas unwohl. Nicht erregt, ganz und gar nicht, aber doch von

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