Der Eden Effekt
dieser Raum an ein NASA-Kontrollzentrum.
Stephanie, die Anikas erstaunte Miene bemerkte, fügte hinzu: »Willkommen in der Schaltzentrale von ECSITE! Von hier aus überwachen wir alles: Banken und Märkte auf der ganzen Welt sowie die verschiedenen Börsen.« Sie wies mit dem Kopf auf die Monitore an den Wänden. »Das hier sind die Ergebnisse unserer Analysten.« Sie zeigte auf einen verglasten Computerraum innerhalb des großen Raumes. »Nur die New Yorker Börse wird als eigenes System behandelt.«
Anika folgte ihr einen Seitengang hinunter. Im Vorübergehen schaute sie auf die Monitore, über die Zahlenreihen, Grafiken und Texte rollten, deren Sinn sich ihr so schnell nicht erschloss.
An der weißen Rückwand des Raumes befand sich eine Holztür, an die Stephanie nun klopfte.
Ein muskulöser Mann mit einem rasierten Schädel und dunklen Augen öffnete die Tür. Er trug einen Anzug und Krawatte, und ein Plastikkabel führte vom Headset zu seinem kräftigen Nacken.
»Anika French hat einen Termin beim großen Boss«, sagte Stephanie respektvoll.
Der Glatzkopf nickte mit undurchdringlicher Miene und trat zurück, um Anika Platz zu machen.
Der Raum war quadratisch und fünfzig Quadratmeter groß. Wie in ihrem Schlafzimmer gab es auch hier holografische Wände. Die Bilder zeigten jedoch keine Landschaften, sondern andere Büros, in denen Männer hinter Schreibtischen saßen und sie interessiert beobachteten, als sie den Raum betrat. Anika stellte fest, dass die meisten von ihnen Asiaten waren. Zwei trugen Uniformen des nordkoreanischen Militärs, und an den Wänden hinter ihnen hingen Bilder des nordkoreanischen Diktators. Die anderen Männer, die tadellos gekleidet waren, erinnerten sie an leitende Angestellte großer Unternehmen. Die Büros, in denen sie arbeiteten, bestätigten diesen Eindruck.
Wahnsinn! Eine virtuelle Videokonferenz auf höchstem technischem Niveau. Anika zwang sich, ihre Verwunderung zu verbergen, und konzentrierte sich auf den Mann, der hinter dem prächtigen Schreibtisch saß. Die mit Schnitzereien verzierte Tischplatte glänzte, und ihre Größe war beeindruckend.
»Dieser Schreibtisch gehörte einst Ludwig II.«, sagte der korpulente Mann. »Nach dem Tod des Königs wurde er in seine Einzelteile zerlegt und in den Vatikan transportiert. Vier Päpste haben dort gesessen, wo ich jetzt sitze. Durch gewisse Umstände ist er schließlich hier gelandet.«
Anika musterte den weißhaarigen Mann. Sie hatte noch nie ein Bild von Michail Kasperski gesehen, doch seine faszinierende Erscheinung ließ keinen Zweifel an seiner Identität aufkommen. Sie betrachtete den kantigen Schädel und die faltigen Wangen. Die Nase des Mannes hätte die eines Schlägers sein können. Seine funkelnden blauen Augen durchbohrten sie und waren kalt wie der sibirische Wind.
Kasperski hob kurz seine massige rechte Hand, worauf die Bildübertragung abgebrochen wurde und die Wände wieder einen sanften grünen Ton annahmen.
Er stand auf und schob den mit feinem Ziegenleder bezogenen Stuhl zurück. Anika schätzte den Mann auf knapp über eins achtzig. Bereits durch seine beeindruckende Gestalt strahlte er Macht aus. Er trug einen schimmernden Seidenanzug mit Weste, was ihn jedoch nicht weniger einschüchternd wirken ließ.
Mit neugierigem Blick trat er vor den Schreibtisch und reichte Anika die Hand. »Dr. French, bitte verzeihen Sie uns die rüde Entführung und den Transport nach Oberau.«
In seinem Englisch schimmerten ein britischer, ein amerikanischer und ein russischer Akzent durch. Anika schüttelte dem Mann die Hand und wunderte sich, wie warm sie war. »Es tut mir leid, aber verzeihen kann ich es aufgrund der Umstände nicht.«
Der große Boss lächelte. »Ich verstehe«, sagte er, und seine kalten blauen Augen waren weiter auf sie gerichtet. »Vielleicht kommen wir zu einer gütlichen Einigung?«
Anika zeigte auf die Wände. »Waren Sie gerade in einer Besprechung?«
Er zuckte mit den Schultern. »Unwichtig. Einer meiner Kunden behauptet, wir hätten ihm nicht die richtigen Teile geliefert. Da sich die Fabrik aber strikt an die Bestellung gehalten hat, werden wir nun den Transportweg zurückverfolgen, um zu ermitteln, wo die Fehlerquelle liegt. Wenn es nicht der Spediteur war, muss ein unbekannter Dritter die Teile ausgetauscht haben.«
Anika runzelte die Stirn. »Ein immer höheres Niveau an Komplexität?«
Kasperski zog seine buschigen weißen Augenbrauen hoch. »Es sieht so aus.«
»Das ist das
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