Der Eden Effekt
Tausende stecken in dunklen Aufzügen fest. Auf den Straßen gibt es kein Durchkommen mehr, und auch Krankenwagen stecken im Stau fest. Währenddessen verderben in der ganzen Stadt die Lebensmittel in den Kühlschränken.«
Anika hob die Augenbrauen, als Stephanie vor Schmerzen keuchte und das Gesicht verzog. »Sie müssen sich hinlegen, Stephanie.«
Stephanie krümmte sich und holte tief Luft. »Die Straßenverkäufer benutzen Propangas. Die Menschen können Hotdogs essen.«
»Nicht drei Millionen. Und wie schon gesagt: Ohne Strom funktionieren die Kassen nicht. Die Preise schnellen in die Höhe, und an Geldautomaten und bei Banken sind keine Abhebungen mehr möglich, denn auch der Zugang zu Konten ist nur elektronisch möglich.«
Stephanie nickte. »Und die zweite Phase?«
»Es herrscht bereits allgemeine Panik.« Anika zeigte auf die Tunnel. »Versprühen Sie etwas in den Tunneln. Ich würde etwas Biologisches wie Milzbranderreger vorschlagen. Irgendetwas, was sich durch Sporen verbreitet und die Behörden zwingt, die Tunnel zu schließen. Dann bleiben nur noch die Brücken und Fähren, um zu den einzelnen Stadtbezirken zu gelangen.«
»Warum nicht einfach in der ganzen Stadt einen Giftstoff versprühen?«
»Das könnten Sie tun. Doch mit den Tunneln würden Sie dasselbe Ergebnis mit viel weniger Aufwand erzielen. Wie wäre es mit der Grand Central Station und der Penn Station gleichzeitig? Selbst wenn die Züge noch fahren würden, wird auch Tage nachdem die Entseuchungstrupps durch die Tunnel gegangen sind, niemand das Risiko eingehen wollen, sie zu betreten. Und inzwischen tun Millionen von Menschen alles in ihrer Macht Stehende, um die Stadt zu verlassen. Die Nationalgarde hingegen wird alles in ihrer Macht Stehende tun, damit sie bleiben. In einer solch unsicheren Lage kann es gar nicht anders laufen.«
Stephanie schaute auf Anikas Aufzeichnungen. »Und die dritte Phase?«
»Ich habe an Wasser gedacht. New York wird durch riesige Wasserleitungen versorgt. Aber ich glaube nicht, dass dieser dritte Schritt notwendig ist.«
»Warum nicht?«
»Aufgrund der gesellschaftlichen Triebkräfte. Millionen von Menschen, die auf der Suche nach Nahrungsmitteln alle versuchen, aus dunklen, steckengebliebenen Aufzügen und aus Hochhäusern zu fliehen. Wenn man diese Sache bis zum Ende durchspielt, werden die Menschen in New York – und ihr typisches Verhalten – ein Inferno auslösen, das den Rest der Welt das Fürchten lehren wird.«
»Haben Sie alles aufgeschrieben und alles auf den Karten markiert?« Anika nickte. Stephanie presste wieder eine Hand auf ihren Bauch. »Gute Arbeit. Ich muss auf die Toilette. Dann ruf ich den großen Boss an und bringe Sie in Ihre Wohnung.« Sie verzog das Gesicht und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Wenn ich es überhaupt bis dahin schaffe.«
Werden Sie schon . Anika schaute auf die Karten auf dem Tisch. Verdammt! Was habe ich getan?
26. KAPITEL
SKIP STELLTE DIE KTM zwischen die Bäume und richtete die Taschenlampe mit der roten Leuchtdiode auf sein GPS. Dann warf er sich die Nylonhülle mit den Teleskopstangen über die Schulter, nahm den Rucksack vom Gepäckträger und machte sich auf den Weg über den Bergrücken.
Der Anstieg war steil, und der kurvenreiche Pfad führte an Bäumen und Felsvorsprüngen vorbei. Ab und zu erhaschte Skip einen Blick auf die Lichter im Tal. Die kalte Luft roch nach Gras, Frühlingsblumen und Tannen. Der Himmel über ihm war dunkel und wolkenverhangen.
Skip schaute auf die Uhr und überquerte eine mit Geröll übersäte Lichtung.
Eine Stunde später erreichte er die Stelle, die er sich von unten ausgewählt hatte. Hier ragte eine abgerundete, verwitterte Felsnase aus dem Hang heraus. Sie war mit spärlichem Gras, ein paar Blumen und zwei kleinen Kiefern bewachsen. Skip schaute auf das GPS, rechnete kurz nach und kam zu dem Schluss, dass er sich mehr als siebenhundert Höhenmeter über dem Firmenkomplex befinden musste.
Er nahm den Rucksack ab und legte ihn auf die Erde. Dann zog er die Teleskopstangen aus dem Nylonbeutel und steckte sie im grünlichen Licht des modernen Nachtsichtgerätes sorgfältig zusammen.
Anschließend zog er den schwarzen Polyesterstoff hervor, und trotz der Brise gelang es ihm, ihn über die Stangen zu ziehen. Es entstand ein großes Segel mit einem Schwanz. Das Sondermodell eines Paragleiters. Als Nächstes nahm Skip eine Reihe von Gurten aus dem Nylonbeutel und hakte sie zusammen. Er streifte das
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