Der Eden Effekt
Ich machte gerade meinen Highschoolabschluss. Er hat die Ranch übernommen, aber jetzt ist sie verpachtet. Dad ist Sheriff in unserem County.« Sie runzelte die Stirn. »In diesem Augenblick jagt er Diebe, die Stacheldraht gestohlen haben.«
»Stehen Sie sich nahe?«
Anika zuckte mit den Schultern. »Ich glaube, man kann sagen, dass wir durch die Gene und die riesige Last seiner Schuld auf immer verbunden sind.«
»Er ist zu lange von zu Hause fort gewesen?«
Anika nickte. »Mom hat mir beigebracht, stolz auf ihn zu sein. Und jetzt im Rückblick, nachdem ich so viel über ihn erfahren habe, bin ich es wirklich. Mein Vater war mit Leib und Seele Soldat. Er ist noch immer sehr engagiert in seinem Job, auch wenn es heute nur noch darum geht, Drogenküchen auszuheben und Kleinkriminelle zu jagen.«
»Wie sind Sie zur Anthropologie gekommen?«
»Auf unserer Ranch befanden sich zahlreiche archäologische Grabungsstätten. Mom unterrichtete Geschichte an der Highschool, um Geld zu verdienen, damit sie die Ranch nicht aufgeben musste. Sie lud Archäologiestudenten der University of Wyoming ein, eine Siedlungsstätte amerikanischer Ureinwohner auszugraben. Ich war begeistert. Vorher wollte ich Mathematik studieren.«
»Eine seltene Kombination, Mathematik und Anthropologie.«
»In Anbetracht dessen, was ich über Landwirtschaft weiß, ist es besser, als Kälber aufzuziehen, Kühe zu impfen und jeden Cent zehnmal umzudrehen.«
»Ist es so schlimm?«
»Dr. Cole, überall auf der Welt überleben kleine Landwirtschaftsbetriebe einzig und allein durch hohe staatliche Subventionen, ob hier oder in Europa oder in China. In der Landwirtschaft kann man nur Geld verdienen, wenn man große Genossenschaften bildet und auf Massenproduktion setzt.«
Anika beugte sich vor. »Wussten Sie, dass in China die menschliche Nahrungsmittelproduktion 56 Prozent der gesamten Biomasse ausmacht?«
»Unheimlich.«
Sie bestellten ihre Steaks.
»Wo ist Dr. Schott?«
»In München. Er hat eine Stelle bei der ECSITE-Corporation angenommen. Es handelt sich um ein internationales Investmentunternehmen. Bis Sie hier aufgetaucht sind, habe ich das alles nicht verstanden. Warum stellt ein Investmentunternehmen Mark ein? Und es kam ganz plötzlich.« Sie erblasste. »Und dann haben Sie mir den Artikel gezeigt, und die Variablen ergaben einen Sinn.«
Maureen trank einen Schluck Kaffee. »Apropos, haben die Chinesen Dr. Schott eine Stelle angeboten?«
Anika starrte sie an. »Die Chinesen? Bis Montag habe ich nichts von den Deutschen gewusst. Die Nachricht kam für mich wie aus heiterem Himmel.« Sie schluckte. »Wenn die Chinesen interessiert sind ... Aber warum sollten sie? Die globalen Verflechtungen ...«
Maureens Handy klingelte.
»Dr. Cole?«
»Hallo, Amy!«
»Könnten Sie wohl nachsehen, was Sie in Dr. Schotts Büro finden, und vielleicht auch einen Blick in seine Aufzeichnungen werfen?«
»Er ist in München. Offenbar arbeitet er für eine gewisse ECSITE-Corporation. Kennen Sie das Unternehmen?«
»ECSITE?«
»Ja, genau.«
Schweigen.
»Amy!«
»Alles, was Sie über Dr. Schotts Kontakte herausfinden können, wäre äußerst hilfreich.« Amy klang angespannt.
»Ich werde sehen, was ich tun kann.«
Als Maureen das Handy einsteckte, starrte Anika sie verständnislos an.
»Würden Sie mich bitte aufklären, Dr. Cole?«
Maureen seufzte. »Nachdem Dr. Schott diesen Artikel veröffentlicht hat, brach ein regelrechter Sturm los, Anika. Unglücklicherweise befinden Sie sich mittendrin.«
Anika öffnete den Mund und versuchte sich einen Reim auf alles zu machen. In ihren Augen spiegelte sich Angst.
»Keine Panik. Sie sind nicht in Schwierigkeiten. Ich wurde vom FBI nach Washington gerufen. Dann wurde ich ans Außenministerium übergeben. Die Kollegen dort möchten, dass ich einen Blick in Mark Schotts Büro werfe.«
»Es ist ausgeräumt. Ich habe das Licht ausgeschaltet, nachdem das Umzugsunternehmen den letzten Karton hinausgetragen hat«, entgegnete Anika und presste die Lippen zusammen.
»In Ordnung, aber da ist noch etwas. Die stellvertretende Außenministerin möchte, dass Sie nach Washington kommen. Sofort.«
»Washington?« Anika starrte sie fassungslos an. »Ich muss Seminararbeiten korrigieren.«
»Entweder fliegen Sie mit mir oder mit einer charmanten Eskorte von FBI-Agenten.«
Anika riss die Augen auf. »Ich kann hier nicht weg, Dr. Cole. Ich habe alle Seminare von Mark übernommen. Mir wurde eine Stelle als Dozentin
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