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Der Effekt - Roman

Der Effekt - Roman

Titel: Der Effekt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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keine Erfahrung mit so einer Situation. Du kannst nicht darauf reagieren, wie es nötig wäre.«
    Zum Abschluss legte sie drei Pässe und mehrere Päckchen mit Geld in verschiedenen Währungen darauf. Kurz dachte sie nach und nahm das Dollarpäckchen wieder heraus. Es wäre nur überflüssiges Gepäck. Die Euros, umgerechnet 1500 Dollar wert, würden wahrscheinlich noch einigen Wert haben. Nur noch halb so viel wie vor einer Woche, aber immerhin. Sie stand auf und ging ins Wohnzimmer zurück.

    »Ich haue hier ab. Du kannst bleiben oder mitkommen. Wenn du hierbleibst, wirst du es sehr bald mit bewaffneten Männern zu tun bekommen.«
    »Weil ich telefoniert habe.«
    »Weil du telefoniert hast. Mit Bilal.« Caitlin drehte sich um und schaute sie zum ersten Mal an diesem Morgen direkt an. »Wenn du mitkommst, wirst du es auch mit Bewaffneten zu tun bekommen. Zuerst wird es noch so ähnlich ablaufen wie im Krankenhaus. Es werden Profis sein, die bestimmte Regeln beachten. Auch wenn die Regeln sich geändert haben und ich nicht mehr weiß, wie sie überhaupt lauten, aber es wird noch Regeln geben. Bald aber, ziemlich bald … wird es gar keine mehr geben. Nur noch rohe Gewalt, wie du es dir in deinen kühnsten Träumen nicht vorstellen kannst. Du wirst dich ändern müssen, Monique. Du musst endlich erwachsen werden.«
    »Um so zu werden wie du?«, fragte sie mit sarkastischem Unterton.
    »So wie ich. Und wie Bilal.«
    Als sie das hörte, schaute Monique wieder demonstrativ zur Decke. Caitlin ging an ihr vorbei. Sie wollte nicht noch mehr Zeit verlieren. Sie holte einen kleinen Rucksack aus dem Schlafzimmer und packte Lebensmittel hinein. Den Reiseproviant, den sie im Campingladen gekauft hatte, gefriergetrocknete Mahlzeiten, Energieriegel und ein paar britische Fertigrationen. Draußen wurde es heller. Die Feuer am Rand der Stadt warfen ein nicht mehr ganz so bedrohliches Licht auf die giftigen Wolken, die über Paris hingen.
    »Entschuldige bitte …«
    »Kannst du endlich mal aufhören, dich zu entschuldigen und deine Sachen packen! Wir müssen hier weg«, drängte sie. »Los jetzt!«
    Sie schob Monique durch das Schlafzimmer und deutete auf einen zweiten Rucksack.

    »Pack Kleider und Essen da rein. Vor allem was zu essen«, befahl sie.
    »Okay, okay, aber was Bilal betrifft, liegst du falsch. Ich habe ihm gesagt, was du behauptet hast …«
    »Vor einer Woche hätte ich dich deswegen umgebracht, aber jetzt ist es auch egal. Wenn du dich nicht beeilst, wirst du nicht mehr lange leben. Los, mach endlich!«
    In der Ferne hörte Caitlin das Heulen einer Sirene. Ihr Herz schien einen Moment lang auszusetzen, aber dann merkte sie, dass das Signal sich entfernte. Monique packte ihren Rucksack. Caitlin holte zwei Pistolen aus der Waffentasche. Eine Glock 19 für sich selbst und einen 38er Revolver für Monique, falls es erforderlich sein würde.
    Monique zurrte den Rucksack zu und machte eine hilflose Armbewegung. »Er sagte, du bist verrückt. Er war sehr verständnisvoll. Er meinte, dass du wegen des Großen Verschwindens durchgedreht bist. In Deutschland ist es zu vielen ähnlichen Vorfällen gekommen unter Amerikanern. Selbstmorde, Nervenzusammenbrüche und solche Sachen.«
    »Dann ist er also in Deutschland? In Neukölln vielleicht?«
    Monique erstarrte und sah sie argwöhnisch an.
    Caitlin lächelte zufrieden.
    »Ist schon in Ordnung. Ich weiß, wo er wohnt. Mit seiner Mutter. Bleib ruhig. Er steht nicht mehr auf meiner Liste. Vergiss nicht, dass ich seit letzter Woche arbeitslos bin.«
    Monique bedachte sie mit einem zweifelnden Blick, warf sich dann aber den Rucksack über die Schulter und war bereit zum Aufbruch. Caitlin nahm sich ein paar frische Socken, zog ihre alten Boots an, schlüpfte in die Lederjacke, die sie im Krankenhaus mitgenommen hatte, und lud die Waffen durch. Normalerweise ging sie nicht derart bewaffnet auf die Straße, aber wenn sie es jetzt mit der Polizei zu tun bekamen, würde es ohnehin übel ausgehen.
Zweifellos standen sie und Monique längst auf den Fahndungslisten aller Länder. Aber vielleicht würde die staatliche Ordnung schon sehr bald zusammenbrechen, und dann wären sie diese Sorge los.
    Sie schaute auf die Uhr.
    5.45 Uhr.
    In fünfzehn Minuten ging die Ausgangssperre zu Ende. Aber diese fünfzehn Minuten hatten sie wahrscheinlich nicht mehr.
    Wenigstens hatte der Nieselregen aufgehört. Allerdings lagen auf den Gehwegen und den Straßen noch immer die Überreste des ätzenden

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