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Der Effekt - Roman

Der Effekt - Roman

Titel: Der Effekt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Sie hielt eine Hand hoch, der einige Finger fehlten, die ihr offenbar weggeschossen worden waren. Kipper fragte sich, wie sie bei diesem Blutverlust überhaupt noch laufen konnte.
    Barney antwortete nicht. Er hatte schon aufgelegt.
    In Kippers Kopf drehte sich alles, und ihm wurde übel. An all dem war er schuld. Diese Lebensmittel-Verteilungsstellen waren seine Idee gewesen. Damit hatte er sicherstellen wollen, dass die Hilfslieferungen, die über den Pazifik zu ihnen kamen, möglichst vernünftig und effektiv verteilt wurden. Es war eigentlich nicht seine Aufgabe, sich mit solchen Sachen zu beschäftigen. Als Leiter der Stadtwerke hatte er auch so schon genug zu tun. Aber die gewählten Ratsvertreter waren entscheidungsunfähig gewesen und hatten ihn einfach machen lassen. Daraufhin handelte er die Benutzung der Costco-Filialen mit der Firmenleitung aus, die ihre Lagerspezialisten zur Verfügung stellte und in den ausgewählten Filialen Platz schaffte. Er und Barney hatten am ersten Tag mit einigen Anlaufschwierigkeiten gerechnet, aber es war alles gutgegangen.
    Heather.

    Draußen lief seine Praktikantin vorbei, die Augen unter dem blonden Haarschopf in Panik weit aufgerissen. Händeringend rannte sie die Straße entlang, ohne ihn zu bemerken.
    »Verdammt«, murmelte er, gab Gas und drückte gleichzeitig auf die Hupe.
    Viele der Menschen, die ihm entgegenkamen, achteten gar nicht auf ihn, so verängstigt waren sie. Sie wollten einfach nur weg von dem, was sie gerade gesehen hatten. Er musste abbremsen. Als er die South Bradford Street erreichte, wurden es weniger, die meisten waren schon geflüchtet. Er ließ das Fenster herunter und horchte auf die Schüsse. Im Moment waren nur Schreie zu hören und das anschwellende Heulen der Sirenen.
    Kipper lenkte den Pick-up über den Gehsteig auf den Parkplatz des riesigen Warenhauses. Gleichzeitig bemerkte er die Opfer. Viele lagen völlig regungslos da, andere waren so schlimm verwundet, dass sie nicht mehr laufen konnten. Aber die Schießerei hatte aufgehört. Überall sah man Leute vom Costco-Personal in ihren farbigen Westen, viele von ihnen schienen verletzt zu sein. Von der Army, die hier für die Sicherheit sorgen sollte, war niemand zu sehen. Auch die Polizei und die Krankenwagen waren noch nicht da, aber er hörte, dass sie näher kamen.
    Kip stellte den Motor ab und stieg vorsichtig aus. Er war aufs Höchste angespannt und nahm alles deutlicher wahr als normal. Dieser Teil der Stadt mit seinem Industrieviertel war eher grau, und nun strahlte ihm das große rotblaue Costco-Schild so grell entgegen, wie er es noch nie wahrgenommen hatte. Auch sein Gehör war viel präziser als sonst. Er hörte jeden Schrei und jedes Stöhnen erschreckend klar und deutlich. Der Kies unter seinen Sohlen knirschte, und der Motor seines Pick-up knackte unnatürlich laut, als er abkühlte. Er musste die Luft anhalten, als ihm der Geruch des Todes in die Nase stieg.

    Barneys alter schmutziger Chevrolet kam die Straße entlanggeschossen und hielt mit quietschenden Bremsen unter einem Baum vor der Parkplatz-Zufahrt. Die kreischenden Reifen schreckten einige Leute auf, die hastig aufsprangen und ein Stück weit wegliefen. Barney stieg aus und deutete mit seiner massigen Hand auf das Kaufhaus. Kipper bemerkte Heather. In ihren Jeans und dem Sweatshirt sah sie klein und verloren aus. Sogar aus der Ferne konnte er erkennen, dass sie heftig zitterte. Er und Barney rannten über den wie ein Schlachtfeld wirkenden Parkplatz zu ihr.
    »Heather! He, Heather!«, rief Barney.
    Zuerst schien sie ihn nicht zu hören, aber ihr Gesicht leuchtete auf, als sie ihre beiden Kollegen erkannte. Dann brach sie in Tränen aus, und Kipper legte seine Arme um sie.
    »Es ist alles in Ordnung. Alles wird gut. Keine Sorge.« Einige Minuten lang wagte er nicht, ihr Fragen zu stellen. Barney stand daneben und klopfte ihr gelegentlich auf die Schulter. Aber natürlich gab es noch viel mehr zu tun.
    »Kip, ich schau mal nach, ob ich mit jemandem vom Personal sprechen kann. Vielleicht kann mir ja jemand sagen, was passiert ist.«
    »Tu das«, sagte Kipper. »Ich bleibe hier. Du hast doch die Polizei und die Krankenwagen alarmiert?«
    »Hab ich. Die werden gleich hier sein. Auch wenn die Idioten von der Army sich nicht blicken lassen.«
    Die ersten Streifenwagen hielten bereits am Rand des Parkplatzes an. Beamte mit gezogenen Pistolen stiegen aus. Orientierungslos hielten sie inne. Auf wen sollten sie eigentlich

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