Der Effekt - Roman
Nagasaki. Diese Bombe sollte keine Stadt auslöschen, sondern nur eine einzige Wand zum Einsturz bringen, und das tat sie jetzt auch, indem sie explodierte und einen Teil dieser Mauer in heißes Plasma verwandelte. Der spezielle Zünder, der den genauen Punkt für den optimalen Zerstörungseffekt identifizierte, gab dem Sprengkopf mit dem Plutoniumkern das Signal zum Initiieren der atomaren Kettenreaktion.
Da die Bombe inmitten der harten Betonmasse der Staumauer detonierte, konnte sie sich nicht frei entfalten, sondern erhitzte die Wand in Sekundenbruchteilen auf Zigmillionen Grad und verwandelte alles in unmittelbarer Nähe in Gas. Der Feuerball dehnte sich aus und kühlte rasch ab, bis er nicht mehr genügend Hitze hatte, um feste Masse in Gas zu verwandeln. Nachdem die Mauer zerfallen war, war noch genügend Hitze übrig, um das Wasser des Staudamms zum Kochen zu bringen. Die Druckwelle, die nicht genügend Raum hatte, um sich zu entfalten, übertrug sich auf das Erdreich und verursachte ein mittleres Erdbeben. Die alte, ursprüngliche Staumauer, die ein Stück weiter flussabwärts stand, wurde einfach weggesprengt.
Die wenigen Tausend Menschen, die in einem Dorf in der Nähe des Damms gelebt hatten, starben im Moment der Explosion, und niemand blieb übrig, der als Zeuge berichten konnte, was geschah, als der Nil wieder freie Bahn hatte.
Weit oben am Himmel hatte Molenz einen perfekten Blick auf das Geschehen. Er sprach ein Gebet und bat um Vergebung für das, was er getan hatte. Nachdem die unmittelbare Explosion vorbei war, ergoss sich eine gigantische, über hundert Meter hohe Wand von kochend heißem Wasser in das Flussbett des Nil und strömte dem Meer zu. Es brach sich tosend seinen Weg aus dem riesigen See, durchstieß die Pilzwolke, die sich über der gähnenden Leere ausbreitete, wo noch vor wenigen Sekunden eine der Perlen menschlicher Ingenieurskunst gestanden hatte. Der Pilot im Cockpit konnte außer dem Dröhnen seiner Triebwerke nichts hören, aber er malte sich aus, was für ein monströses Geräusch diese Wand von entfesseltem, ultrahocherhitztem Wasser machen würde. Wahrscheinlich klang es ungefähr so, wie wenn man seinen Kopf in eine laufende Turbine steckte.
So lange er konnte, sah er dabei zu, was mit der riesigen Welle geschah. Er schaute zu, wie sie sich über Luxor ergoss wie eine Ozeanwelle, die ein Kinderspielzeug am Strand überschwemmt. Aber dann wurde er von etwas viel Schrecklicherem in Bann gezogen.
Eine neue Sonne ging auf, Stunden vor der Morgendämmerung, weit oben im Norden.
Da, wo Kairo einmal gestanden hatte.
Hauptquartier der pazifischen Streitkräfte, Hawaii
Das Zittern von Admiral Ritchies Hand war deutlich zu sehen, als er die Nachricht von seinem Notizzettel ablas. Er bemühte sich, seine Stimme ruhig zu halten. Es wäre nicht gerade angenehm, sich vor einer Versammlung von Zivilisten vor Angst in die Hose zu machen.
»Die Opfer der unmittelbaren Zerstörung nach dem ersten Angriff belaufen sich auf schätzungsweise achtzig Millionen«, sagte er. »Weitere Opfer durch die Zerstörung des Assuan-Staudamms sind zu erwarten und könnten diese Zahl verdoppeln.«
Die etwa ein Dutzend Frauen und Männer, die um den großen Eichentisch im Speisezimmer des Gouverneurs saßen, hatten aschfahle Gesichter. Es war eng im Raum und heiß, weil eine Menge Audio- und Videogeräte hereingebracht worden waren, um eine Telekonferenz mit Anchorage und Olympia, der Hauptstadt des Staates Washington, durchzuführen.
Die überlebenden Repräsentanten der Vereinigten Staaten von Amerika standen unter Schock, sie waren vielleicht sogar noch stärker von diesem Vorfall traumatisiert als von dem Effekt. Ritchie fragte sich, warum. Vielleicht hatte es etwas mit der vollkommenen Unerklärbarkeit der Energiewelle zu tun. Vielleicht konnten sie ja auch das immer noch nicht glauben. Und nun sahen sich alle hier im Raum und alle anderen Konferenzteilnehmer mit einem losbrechenden Atomkrieg konfrontiert. Es war nicht mehr nur eine Möglichkeit, sondern eine Tatsache.
»Indirekte Todesfälle aufgrund von Verstrahlungen und Verletzungen werden in Kürze dazukommen. Unsere Schätzungen belaufen sich auf weitere dreißig Millionen in den nächsten Monaten.«
Er hörte, wie jemand leise vor sich hinfluchte, und sprach weiter.
»Mittelfristig wird es weitere Opfer geben, weil Staaten zusammenbrechen und Gesellschaften zerstört werden. Damit wird die Zahl der Opfer verdoppelt oder
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