Der Effekt - Roman
hatten israelisches Gebiet erreicht, obwohl die Patriot Abwehrgeschosse ihr Bestes gegeben hatten, und trotz der Versprechungen von General Franks, dass die Spezialeinheiten der Koalitionstruppen die westlichen Bereiche der Wüste, von wo die Raketen abgefeuert wurden, unter Kontrolle bringen würden. Das waren leere Versprechungen gewesen. Die Drohungen des untergetauchten irakischen Diktators mussten ernst genommen werden. Seit der Überflutung von Bagdad waren diese Drohungen immer lauter und apokalyptischer geworden. Man konnte fast den Eindruck haben, als wollten sich Saddam Hussein und der iranische Präsident Ahmadinedschad gegenseitig übertrumpfen.
Aber nun, dachte Molenz, würde die Apokalypse über sie kommen.
Hinter ihm checkte Ephron ein weiteres Mal das bordeigene Elisra-Waffensystem und das infrarotgesteuerte Navigations- und Zielsystem, während Molenz das Radar prüfte. Sogar bei schlechtesten Wetterverhältnissen und in der dunkelsten Nacht versorgte ihn das Radarsystem mit gestochen scharfen Bildern über die Bodenbeschaffenheit und ermöglichte es ihm, sogar kleinste Ziele ausfindig zu machen. Der Staudamm allerdings war viertausend Meter
lang, einhundertelf Meter hoch und bestand aus dreiundvierzig Millionen Kubikmetern Beton. Es dürfte kein Problem sein, dieses Ziel zu treffen.
Molenz nahm Kurs nach Süden, vorbei an Beersheba und folgte dann dem Jordan Richtung Golf von Akaba. Die drei Kampfjets flogen tief und glitten mit einer Geschwindigkeit von 2,5 Mach über die blauschwarze Wüstenlandschaft. Sie sprachen nicht über Funk miteinander, jeder war mit seinen Gedanken allein. Wenige Minuten bevor sie die Stadt Elat an der Südspitze Israels erreichten, schob er den Steuerknüppel zur Seite und hielt nun direkt auf die ägyptische Grenze zu. Damit ließ er die Sinai-Halbinsel hinter sich und die steinige Wüstenei, durch die einst Moses und das Volk Israel gewandert waren. Vor ihnen lagen Berge, scharf gezackte Höhenzüge inmitten der Dunkelheit, darüber die Sterne. Ihre Umrisse zeichneten sich auf dem Radarschirm ab, der einen matten Schimmer auf den Piloten warf. Sie überquerten das vollkommen einsame Gebirge, und während sie das taten, registrierte Molenz seinen Herzschlag. Eine kurze, schreckliche Sekunde lang musste er an all die Millionen schlagender Herzen denken, denen er das Leben nehmen würde. Er schob den Gedanken beiseite und konzentrierte sich wieder auf den Radarschirm. Vor ihnen lag alles ruhig. Die ägyptische Luftwaffe war bemüht, alles zu vermeiden, was den Nachbarn auch nur im Entferntesten provozieren könnte, weil sie Angst davor hatten, genau den furchtbaren Schlag versetzt zu bekommen, den Molenz und seine Kameraden jetzt durchführen wollten.
Sie wussten nicht einmal, dass er hier unterwegs war. Trotz seiner moralischen Skrupel hatte Molenz sich freiwillig für diese Mission gemeldet. Alle hatten sich freiwillig gemeldet. Er würde den Staudamm zerstören und Millionen Menschen ins Verderben reißen. Menschen, die nie eine Hand gegen ihn oder sein Land erhoben hatten. Aber
es gab Millionen, die es tun wollten und die jetzt schon in vielen Städten gegen die ägyptischen Sicherheitskräfte kämpften, um das Mubarak-Regime zu stürzen, weil es dem, wie sie es nannten, zionistischen Aggressor nicht deutlich genug entgegentrat. Und diese Leute würden gewinnen. Das war das Problem dabei. Sie würden gewinnen und bald schon im Präsidentenpalast residieren und ihre blutrünstigen Augen auf sein Heimatland richten, auf seine Familie. Natürlich war es falsch, was er tat, es war tragisch, und er würde womöglich in der Hölle dafür schmoren, weil es eine Sünde war. Aber Rudi Molenz war fest davon überzeugt, dass der jüdische Staat zum Verschwinden verurteilt war, wenn Israel jetzt nicht ausholte und seine Feinde in Grund und Boden hämmerte.
Er schüttelte den Kopf. Es war nur eine ganz kurze Bewegung unter seinem Helm. Sie erreichten jetzt den Golf von Suez, jenen Punkt, an dem sie zum ersten Mal dem Radar und den Waffen der westlichen Truppen ausgesetzt waren, die in dieser Gegend im Einsatz waren. Für diesen Flug war kein Freund-Feind-Code angegeben worden, und als Anführer dieses Geschwaders wusste er, dass der Botschafter auf Hawaii bei den Amerikanern vorstellig geworden war, um sie in letzter Minute von den israelischen Plänen zu unterrichten. Aber in diesem Augenblick wussten sie noch gar nichts. Er schaute auf die Uhr.
Fünfzehn Minuten.
In
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