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Der Effekt - Roman

Der Effekt - Roman

Titel: Der Effekt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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gehen Sie die nächste Treppe noch zwei Decks nach unten. Sie können es nicht verfehlen.«
    Sie drehte sich um, um Fifi zu fragen, ob sie sie kurz vertreten könnte, damit sie nochmal das Mannschaftsverzeichnis durchgehen konnte, aber ihre Partnerin war schon verschwunden. Wahrscheinlich unterhielt sie sich mit Dietmar auf dem Weg zur Galerie. Julianne lehnte sich gegen die Reling und schaute zur Küste. Sie waren gut zwanzig Seemeilen vom Festland entfernt. So konnten sie jedes auf sie zuhaltende Fahrzeug lange genug in Augenschein nehmen. Das Radar, das dank Rhino inzwischen viel besser funktionierte, zeigte Dutzende von Schiffen im näheren Umkreis, aber Mr. Lee änderte ständige ihre Position, so dass sie in sicherer Distanz zu allen anderen blieben. Seit Shahs Leute und die anderen Neuzugänge an Bord waren, fühlte sie sich wesentlich sicherer als vorher.
    Trotzdem würde sie heute Nacht nicht an Bord bleiben.
    Sie würden mit dem kleineren Boot zurück in den Hafen fahren, um am nächsten Morgen ihre Passagiere und Pieraro und seine Familie abzuholen.
    Wenn sie sich den züngelnden Lichtschein über der Stadt so ansah, fragte sie sich allerdings, in welche gefährliche Hölle sie da zurückfuhren, und ob Pieraro es schaffen würde, rechtzeitig da zu sein. Er musste sechshundert Kilometer weit fahren, um seine Familie zu holen, über Straßen, auf denen sich womöglich Flüchtlinge drängten und die von Straßenräubern und Polizisten kontrolliert wurden.

    Sie fragte sich, wann er wohl wieder auftauchte und wie lange sie es sich leisten konnten, auf ihn zu warten.

Fairmont Hotel, Acapulco
    Amerikanische Studenten, über tausend von ihnen.
    Am nächsten Morgen, als sie mit Shah zurückkam, um ihre Passagiere und Pieraro abzuholen, riegelten sie den Eingang des Fairmont Hotel mit einer Menschenkette ab. Überall in Acapulco war die Sicherheitslage über Nacht problematisch geworden, als hätte die Nachricht von den Atomschlägen der Israelis alle animalischen Ängste freigelegt, die schon vorher durch das Auftreten der Energiewelle geschürt worden waren. Während Mr. Lee und einige von Shahs Leuten die Mannschaft auf der Aussie Rules bei den letzten Vorbereitungen überwachten, machten Fifi und Thapa das Beiboot bereit für eine schnelle Fahrt durch die Bucht. Jules hatte einen Treffpunkt festgelegt, der wesentlich näher am Fairmont Hotel lag, um Auseinandersetzungen mit dem Mob zu verhindern, der sich vor den Toren des Hafens eingefunden hatte und hineinwollte. Bei ihrer Fahrt durch die Stadt konnte sie verstehen, warum die Menschen auf Schiffe flüchten wollten.
    Es herrschte vollkommenes Chaos.
    Die Ordnung, die noch am Vortag geherrscht hatte, war verschwunden, überall herrschte schlimmstes Durcheinander. Man konnte den Eindruck gewinnen, die Stadt stehe mit sich selbst im Krieg. Nein, es war schlimmer als das. Es gab keine gegnerischen Parteien, es war einfach ein zielloser Aufstand, ein Kampf aller gegen alle. Junge Männer überfielen Personen, die allein unterwegs waren. Größere Banden wiederum überfielen diese Gruppen. Seit Tagen waren keine Polizisten oder andere Autoritäten mehr gesehen worden, und inzwischen waren auch die privaten
Sicherheitsdienste, die Orte wie das Fairmont Hotel oder den Hafen bewacht hatten, immer weniger geworden. Entweder hatten sie sich hinter Barrikaden, Zäune oder Mauern zurückgezogen, oder sie hatten sich aufgelöst, weil die Angehörigen dieser Trupps sich lieber um ihre eigene Habe und ihre Familien kümmerten. Ständig waren Schüsse zu hören, dicker öliger Rauch quoll an vielen Stellen der Stadt in den Himmel, ab und zu hörte man eine Explosion und das Wutgeheule oder Angstgeschrei des Mobs.
    Durch die Straßen zu fahren war ein einziger Alptraum. Sämtliche Verkehrsadern waren verstopft.
    Nur weil Shah mit dem Geländewagen besonders geschickt umzugehen wusste, kamen sie voran. Um Blockaden zu umgehen, lenkte er den Wagen auf den Bürgersteig oder durch Privatgärten hindurch. Wenn genügend Platz auf der Straße war, gab er Gas und trieb den Wagen voran, zweimal mitten durch eine Ansammlung von bewaffneten Männern hindurch, die die Carretera Escénica blockierten, die westlich des Strands von Revolcadero in die Berge führte. Der Aufprall der Körper auf der Motorhaube klang in ihren Ohren so schrecklich, dass sie lieber die Augen schloss. Als Beifahrer untätig neben Shah zu sitzen war wahrscheinlich schlimmer, als selbst zu steuern. Die Lage

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