Der Effekt - Roman
trugen, waren immerhin deutlich zu sehen. Während Julianne sich vorwärtskämpfte, konnte sie Gesprächsfetzen mithören.
»… total. Sie werden uns abholen. Die Küstenwache oder sonst jemand …«
»Die Marines sollen kommen, hab ich gehört.«
»Wir werden nach Seattle gebracht.«
»Nein, Sydney.«
O nein, dachte Jules, das klingt alles überhaupt nicht gut.
Sie entschied, dass es besser wäre, die Mitte der Menschenmenge zu meiden und stattdessen lieber am Rand zu bleiben, um hundert Meter weiter über die Tennisplätze des Hotels und dann unter den Palmen an einem Ferienhauskomplex und einer ganzen Reihe von Swimmingpools vorbei auf das Gelände zu kommen. Die Schwimmbecken waren verlassen, genauso wie die Bars am Beckenrand. Ihre Passagiere fand sie am Rand der künstlichen Lagune auf der Terrasse des Chula Vista Restaurants. Auch Pieraro und seine fünfzehnköpfige Familie waren da.
Der Vaquero sah ziemlich wütend aus, aber nicht so wütend, wie Jules jetzt war.
Sie stürmte auf ihn zu, und alle, die sie kommen sahen, traten rasch beiseite. Alle außer Pieraro.
»Was, bitte, soll das denn heißen? Wer, zum Teufel, sind diese Leute?«, schrie sie ihn an. »Sie haben mir erzählt, Sie hätten eine Frau und ein paar Kinder. Und jetzt haben Sie das halbe Dorf mitgebracht.«
Die Familie des Mexikaners schaute ihn an, sie waren mehr als verängstigt. Jules vermutete, dass die Frau, die an seinem Arm hing, seine Ehefrau war, und dass die Mädchen um sie herum seine Töchter sein mussten. Aber
die anderen sahen aus wie irgendwelche Tanten und Onkel und Großeltern, vielleicht waren auch der Dorfsäufer, der Dorftrottel und der Dorfbürgermeister dabei. Keiner sah aus, als hätte er auch nur einen Peso in der Tasche.
Pieraro machte sich von ihnen frei und kam Julianne entgegen, die sich ihren Weg zwischen den Tischen und Stühlen bahnte, von denen aus man einen schönen Blick auf die Lagune hatte. Einige Stühle fielen um, als sie an ihnen vorbeiraste. Normalerweise hätten um diese Uhrzeit Hotelgäste ihr spätes Frühstück eingenommen, aber das Restaurant war geschlossen und ganz offensichtlich verlassen. Anscheinend war nur sehr wenig Personal im Hotel erschienen.
»Sie haben ja vielleicht Nerven«, schrie sie Pieraro an. »Ich weiß nicht, woher diese Leute vor dem Hotel überhaupt kommen, aber so wie es aussieht, erwarten die, dass wir sie mitnehmen. Aber das wird natürlich nicht gehen, weil Sie ja schon die Hälfte der Bevölkerung ihres Kaffs hergebracht haben!«
Pieraro wurde nicht laut, sondern antwortete mit ruhiger Stimme. »Sie müssen sich nicht so aufregen, Miss Julianne. Ich bin nicht dafür verantwortlich, dass sich diese Leute vor dem Hotel versammelt haben, das war Cesky.«
»Dieser Idiot, was hat der sich denn dabei gedacht …«
»Das stimmt«, schaltete sich Phoebe, die treulose Treuhänderin ein, die heute glücklicherweise weniger selbstsicher aussah als am Tag zuvor. »Er hat sich so darüber geärgert, dass Sie ihn ausgeschlossen haben, dass er rumgelaufen ist und allen Leuten von Ihren Evakuierungsplänen erzählt hat. Es hat sich ziemlich schnell herumgesprochen. Ich hab sogar schon drei SMS dazu bekommen.«
Sie hielt ihr Handy hoch. Jules wunderte sich, dass es überhaupt noch funktionierte. Ihr eigenes war vor ein
paar Tagen am Ende gewesen. Sie seufzte innerlich. Die Reichen hielten doch immer am längsten durch.
Die anderen Fünf-Sterne-Flüchtlinge nickten grimmig.
»Na gut«, sagte Jules, die sich kaum beherrschen konnte. »Wir werden trotzdem alles daransetzen, Sie von hier fortzubringen. Auch am Hafen hat sich der Pöbel schon zusammengerottet und wartet darauf, ins Irrenhaus getrieben zu werden. Also hören Sie zu: Sie müssen genau das tun, was ich Ihnen sage, sonst bleiben Sie zurück … Miguel. Der Transport. Das war deine Aufgabe …«
»Ich hab zwei Busse«, sagte er. »Damit kriegen wir alle mit.«
»Na gut, aber wie kommen wir durch diese wild gewordene Horde vor dem Hotel durch? Shah parkt drüben am Strand und wartet auf uns. Mit den Bussen können wir aber nicht über den Strand fahren.«
»Nein, aber sie sind sowieso nicht hier geparkt«, sagte er. »Als Miss Saint John …« Er deutete auf Phoebe. »… mich wegen Cesky warnte, habe ich sie unten am Strand in der Alberca-Stiftung untergebracht. Dort kenne ich den Sicherheitschef. Er ist zuverlässig.«
»Und wie viel hat uns das gekostet?«
»Knapp vierhundert Liter Benzin. Er will heute Abend
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