Der Effekt - Roman
haben. Aber Ihre ehemaligen Kollegen machen weiter, als sei nichts geschehen. Damit können sie alles ins Wanken bringen. Bitte versuchen
Sie das zu verstehen. Sie müssen gestoppt werden. Zum Wohle aller.«
Bilal trat näher an die Betonpritsche, auf der sie lag.
Er sah müde und gestresst aus, aber er strahlte noch immer diese Leichtigkeit und Eleganz aus, die sie von den Videoüberwachungen kannte. Er sah jedenfalls viel gesünder aus als Reynard. Ein irrationaler Teil ihres Selbst wünschte, Monique könnte jetzt hier sein, um zu sehen, dass Caitlin sie nicht belogen hatte.
»So wie Sie, bin auch ich nur ein Bote«, sagte er und setzte sich auf den Rand der Pritsche. Er sah ihr ins Gesicht und vermied es, den Blick über ihren gepeinigten Körper streifen zu lassen. »Ich gehorche einem Gott, der mitfühlend ist und der Sie als Partnerin akzeptieren will, ob im Krieg oder im Frieden.«
Sie grinste höhnisch.
»Tja, Billy, wenn du deinen Ibn Ishaq genauso gut kennen würdest wie deinen Coppola, dann würdest du dir erst den gesamten Kontext eines Zitats vergegenwärtigen, bevor du es anbringst. Bevor er nämlich Friede, Freude, Eierkuchen predigte, hat Ubayy ibn Ka’b, der Begleiter des Propheten, in der Oase von Kaybar das Schwert sprechen lassen, um alle zu töten, die gegen ihn aufstanden. Oder so ähnlich jedenfalls. Vielleicht verwechsle ich ihn auch mit Conan dem Barbaren. Das war ein Klassefilm.«
Sie hatte gehofft, ihn damit aus der Fassung zu bringen, aber Baumer nickte nur, als würde er ihr zustimmen. Er schien beinahe zufrieden zu sein.
»Sie wissen ja gut Bescheid«, sagte er. »Dann ist Ihnen sicherlich auch bekannt, dass Ishaq nicht nur ein Historiker war, sondern fast selbst schon ein Prophet. Ein kleiner Heiliger, wenn Sie so wollen. Er hat einiges vorausgesehen, als er schrieb: ›Unsere Feinde hatten nur Böses im Sinn, deshalb mussten sie verlieren. Wir töteten sie und ließen sie im Staub liegen. Die, die davonkamen, waren
wahnsinnig vor Angst. Die meisten wurden erschlagen. Dies ist Allahs Krieg, und alle, die ihm nicht dienen wollen, werden ohnmächtig sein.‹«
Er streckte die Hand aus und schob ein paar verfilzte Haarsträhnen aus ihrem Gesicht, die über ihre Augen gefallen waren. »Sie sind eine Soldatin gewesen, Caitlin Monroe, und Sie werden immer eine Kriegerin bleiben. Das ist ehrenhaft. Die Welt wurde arg getroffen und leidet. Wir alle sind Untertanen Gottes, und wir müssen unsere Verletzungen gemeinsam heilen. Das können wir aber nicht tun, ohne einander zu vertrauen. Deshalb bin ich hier, deshalb hat ›Reynard‹ mich herbestellt, damit ich mit meinen ehemaligen Feinden Frieden schließen kann.«
Ihre Hand- und Fußgelenke waren noch immer gefesselt, aber wenn sie ihre Arme um seinen Kopf legen könnte, hätte sie vielleicht eine Chance, ihm das Genick zu brechen.
»Ich vertraue Ihnen, Caitlin, weil ich Sie kenne. Genauso, wie Sie mich kennen. Ich weiß, dass Sie darüber nachdenken, ob Sie mich jetzt noch irgendwie ausschalten können. Sie wägen Ihre Stärke gegen die Verletzungen und Schmerzen ab, die Sie in den letzten Wochen erduldet haben, vielleicht überlegen Sie auch, ob es noch einen letzten professionellen Trick gibt, den Sie sich antrainiert haben, und überlegen, ob Sie noch genug Willenskraft haben, sogar jetzt noch, nachdem Reynard versucht hat, Sie zu brechen.«
Er lächelte sie an und hob ironisch eine Augenbraue, um seine Verbundenheit mit ihr deutlich zu machen.
Dann schoss seine eine Hand vor und umfasste die ihre und drehte sie so heftig um, dass das Plastik noch tiefer in ihre Gelenke schnitt und ein so scharfer Schmerz ihren Arm durchzuckte, dass sie beinahe laut aufgeschrien hätte. Sie biss die Zähne zusammen und bemühte sich
verzweifelt, den wahnsinnigen Schmerz in ihrer Hand zu verbannen.
Der heilige Krieger, der sich Al-Banna nannte, ließ von ihr ab.
»So, können wir jetzt endlich mal mit diesem Scheiß aufhören!«
Er schlug ihr mit der Faust ins Gesicht. Der Aufprall fühlte sich an wie eine Detonation im Innern ihres Schädels. Ihr Hinterkopf prallte auf die Betonpritsche. Dann spürte sie, wie seine Hände sie brutal auf den Bauch drehten.
»Oder fangen wir jetzt erst richtig an?«, schrie er.
Sie versuchte, nach ihm zu treten, erreichte aber nur, dass sie sich noch mehr Abschürfungen zuzog.
Ein weiterer Schlag auf den Hinterkopf lähmte sie. Ihr wurde klar, wie schwach sie nach all den Wochen der Folter und der
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