Der Effekt - Roman
bin Soldatin«, erklärte sie.
»Weder noch.« Er lächelte, womit er der gerade gespielten Rolle nicht mehr gerecht wurde. »Du bist nur eine Botin, die losgeschickt wurde, alte Schulden einzutreiben.«
Sie lächelte zurück mit ihren blutigen Zähnen und kalten Augen. Sie sah aus wie eine Wilde, die versuchte, sich wie ein zivilisierter Mensch zu benehmen. »Ja, und du wirst sie bezahlen.«
»Das glaube ich kaum.«
Das war Reynard. Er hatte sich ein sauberes Hemd angezogen, trat hinter Baumer und starrte sie feindselig an.
»Dieses theatralische Getue ermüdet mich, Miss Monroe. Es müsste Sie doch eigentlich auch ermüden. Es wäre an der Zeit, dass wir unsere Rollen ablegen. Ich als der namenlose Verhörende …«
»Ich finde Reynard ganz in Ordnung.«
»… und Sie, die einsame Wölfin, die Jägerin, die niemals aufgibt. Das ist doch alles Blödsinn. Es gibt nichts mehr, wofür Sie kämpfen könnten.«
»Ich habe diesen Kampf nicht angefangen«, entgegnete sie wütend. Beim Anblick von Baumer musste sie wieder
an Monique denken und daran, dass sie versagt hatte beim Versuch, sie zu schützen.
»Sie haben doch Leute hinter mir hergeschickt. Ich weiß nicht mal, wieso. Beziehungsweise wusste es nicht, bevor er hier auftauchte.«
»Sie verstehen es immer noch nicht«, lenkte Reynard ein.
»Was denn? Er gehört also zu Ihnen. Ist er ein Doppelagent? Na toll.«
»Nein«, sagte Baumer. »Ich gehöre nicht zu ihm.«
Caitlin richtete sich ein wenig auf und versuchte das Bedürfnis, ihren nackten Körper vor Baumers Blick zu schützen, zu bekämpfen. Es würde nur als Zeichen der Schwäche ausgelegt. Sie hob die gefesselten Hände und rieb sich die Augen. Ihre Handgelenke waren mit Plastikbändernb zusammengebunden, die tief ins Fleisch schnitten. Die Wunden waren blutverkrustet. Wieder so ein Schmerz, den sie in eine Schachtel legen und in die hinterste Ecke ihres Bewusstseins verbannen musste.
Ihre Stimme klang schwach und krächzend, aber sie bemühte sich, so fest und laut zu sprechen wie möglich.
»Was soll das denn heißen? Hat der gute Reynard sich freiwillig den Truppen von Osama angeschlossen?«
»Nein«, sagte Baumer.
»Also, was denn? Hat er sich einkaufen lassen?«
Der Franzose atmete tief durch und sagte: »Ich habe Bilal hierhergebracht, um Ihnen zu zeigen, dass Ihr Widerstand vergeblich ist. Der Krieg, in dem Sie gekämpft haben, ist vorbei. Ihr Land hat ihn nicht verloren. Sie haben Ihr Land verloren. Was macht es noch für einen Sinn, an alten Ideen und Loyalitäten festzuhalten, die nicht mehr existieren? Das ist purer Wahnsinn, Caitlin. Sie sollten uns alles mitteilen, was Sie über die operativen Strukturen von Echelon in Frankreich wissen. Danach können Sie gehen. Wir gehen davon aus, dass Sie sowieso
nicht mehr hinter Bilal her sind. Sie sind ein staatenloser Flüchtling. Sie brauchen Hilfe. Aber wir können Ihnen nicht helfen ohne Gegenleistung.«
Caitlin nagte an ihrer aufgesprungenen Lippe.
»So? Aber waren Sie nicht der Kerl, der mich in den letzten Wochen gefoltert hat? Warum sollte ich ausgerechnet Ihnen helfen? Und warum sollten Sie mich freilassen, wenn ich es getan habe?«
Reynard seufzte. »Caitlin, Sie sind doch nicht dumm. Hören Sie auf, so zu tun, als würden Sie nichts kapieren. Wir sind vernünftige Menschen, und unsere Arbeit und die Maßstäbe, die wir anlegen, müssen auch vernünftig sein. Sie haben drei unschuldige Menschen getötet, als Sie wild um sich geschossen haben. Das wussten Sie nicht, stimmt’s? Nein, das können Sie gar nicht wissen. Aber wir haben bei der Obduktion Kugeln aus Ihrer Waffe in den Leichen gefunden.«
Sie zuckte mit den Schultern. Vielleicht log er ja, wahrscheinlich sogar. Möglicherweise hatte sie den Fahrradfahrer erwischt, aber an mehr konnte sie sich nicht erinnern.
»Caitlin, wir müssen Ihre Informationen über Echelon bekommen. Mir ist klar, dass Sie in Zellen organisiert sind. Ich verlange nicht, dass Sie mir Details verraten, die Sie nicht preisgeben wollen. Aber selbst ganz allgemeine Informationen helfen uns schon weiter, auch wenn es Ihnen nicht so erscheinen mag. Dazu müssen Sie wissen, dass Ihre ehemaligen Kollegen jetzt ohne Auftrag arbeiten, auf eigene Rechnung. Sie sind gefährlicher als je zuvor. Die Situation dort draußen ist stabil, aber kritisch. Es gab sehr viel Unruhe, viel Misstrauen, sogar Blut wurde vergossen. Die Lage hat sich beruhigt, weil alle Parteien eine Menge Einsatz und guten Willen gezeigt
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