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Der Effekt - Roman

Der Effekt - Roman

Titel: Der Effekt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Krankheit war. Er packte sie an den Hüften und zog sie zu sich hin. Jetzt kam das Schlimmste.
    Die Vergewaltigung dauerte nur wenige Minuten, aber noch Stunden später zitterte sie am ganzen Körper.
     
    Als Caitlin ein Mädchen von neun oder zehn Jahren gewesen war, fuhr ihre Familie nach Kalifornien in die Ferien. Sie fuhren von Charleston in South Carolina, wo ihr Vater bei einer Luftwaffeneinheit stationiert war, direkt dorthin. In Kalifornien wollten sie all das tun, was andere Familien da auch taten, Disneyland besuchen, Hollywood anschauen und ans Meer fahren. Aber die deutlichste Erinnerung war die an die Besteigung des Glockenturms auf dem Campus in Berkeley, kurz bevor die Uhr morgens zehn Uhr schlug. Das Läuten der Glocken war erschreckend laut gewesen, viel lauter, als sie erwartet hatte. Es war nicht nur zu hören gewesen, sondern sie hatte die Töne in ihrem Körper gespürt, in ihrer Brust und im Magen, sogar ihre Beine und Füße erzitterten. Dieses aufregende
Gefühl, das alles andere als schön gewesen war, konnte sie nie mehr vergessen.
    Wie sie nun auf ihrer harten Betonpritsche in der Zelle der Festung in Noisy-le-Sec lag, hatte sie das Gefühl, als würde sie dieses schockierende Erlebnis erneut durchmachen.
    Ihre Muskeln vibrierten und zuckten, manchmal so stark wie bei einem Parkinsonkranken. Im Innern fühlte es sich an, als würde sie von einer rohen Gewalt zerrissen und zerfetzt, obwohl die Ursache ihres Schmerzes nur psychologischer Natur war.
    Seit der Vergewaltigung war niemand mehr in die Zelle gekommen. Ihr rational denkendes, nüchtern kalkulierendes und mechanisches Killergehirn, das auf solche Situationen vorbereitet war, wusste, dass diese Ruhe nur Teil des taktischen Konzepts ihrer Peiniger war. Trotzdem wurde sie das brennende Gefühl der Scham und der Erniedrigung nicht los, das von ihr Besitz ergriffen hatte. Sosehr sie auch versuchte, sich wieder zu fassen, es kamen immer wieder die Erinnerungen an diesen Tag im Glockenturm zum Vorschein. Und dann musste sie an ihre Familie denken, vor allem natürlich an ihren Vater, und dann schämte sie sich nur noch mehr.
    Sie bemühte sich, an etwas Einfaches zu denken, ein Ziel, auf das sie hinarbeiten konnte. Sie malte sich aus, wie sie ein Schwert in Baumers Kehle bohrte, aber diese Fantasien machten ihr nur umso deutlicher, wie schwach sie in Wahrheit war. Sie rollte sich zusammen wie ein Fötus und verharrte in dieser Stellung.
    Irgendwann ging das Licht aus.
    Es kam so unerwartet und war so jenseits des Normalen, dass Caitlin einen Moment lang die Orientierung verlor. Sie war schon so lange in dieser Zelle gefangen, die ständig grell erleuchtet war, dass die plötzliche Dunkelheit beängstigend war. Es kam ihr vor, als sei sie mit einem
Mal erblindet. Dann hörte sie bekannte Geräusche, aber auch die waren so unerwartet, dass sie es kaum glauben konnte.
    Schüsse.
    Zuerst ganz verhalten, in weiter Ferne, irgendwo in den unterirdischen Gängen, wo sich die Verhörzellen befanden. Aber sie wurden lauter, und weitere bekannte Geräusche kamen dazu. Stiefelgetrappel, fluchende Männerstimmen. Noch mehr Schüsse, das rhythmische Knattern automatischer Waffen, das laute Krachen einer Schrotflinte, Pistolenschüsse. Eine Granate explodierte mit ohrenbetäubendem Getöse im Korridor draußen vor ihrer Zelle. Im Dunklen konnte sie jetzt das Aufblitzen der Schusswaffen erkennen und unterschiedliche Stimmen auseinanderhalten. Keine klang bekannt, alle sprachen Französisch.
    Männer rannten an der Tür vorbei, hinter der sie gefangen war. Einer hielt an und feuerte eine Salve durch die Eisengitter, ein unkontrolliertes Ballern, von dem sie nicht getroffen wurde. Nur ein Querschläger streifte sie an der Hüfte, was dennoch sehr schmerzhaft war. Sie stöhnte laut auf und ließ sich von der Pritsche fallen. Im Dunkel der Zelle würde niemand sie entdecken. Der Mann, der auf sie gefeuert hatte, rannte weiter. Mündungsfeuer war jetzt zu sehen, und das Geräusch der Schüsse, das Pfeifen der Kugeln und Jaulen der Querschläger wurde immer lauter, als eine Gruppe von Männern an ihrer Zelle vorbeistürzte. Das Kampfgetümmel verlagerte sich weiter ins Gebäudeinnere.
    Inmitten der schwarzen Dunkelheit kroch Caitlin in eine Ecke, die außer Sichtweite der Tür war und wo sie hoffentlich nicht so schnell von einer Kugel getroffen werden konnte. Dort kauerte sie sich zusammen, nackt, blutend und ganz allein, und wartete eine Ewigkeit, wie es ihr

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