Der Effekt - Roman
aufzubauen, die hinter ihr lagen.
»Sicherlich gab es ähnliche Differenzen zwischen Ihrem Außenministerium und der militärischen Führung«, hielt Rolland dagegen. »Es ist der klassische Konflikt zwischen Friedensstiftern und Kriegsherren. Aber hier in Frankreich gab es einen Faktor, der das Ganze von Jahr zu Jahr komplizierter machte.«
Caitlin nickte langsam. »Ihre eigene muslimische Bevölkerung.«
»Richtig. So wie gewisse fragwürdige außenpolitische Maßnahmen Ihrer Regierung, zum Beispiel in Südost-Asien, irgendwann auf sie zurückfielen …«
»Wir nennen das ›Bumerang-Effekt‹.«
»Was für ein schönes Wort. Nun, wir haben also auch erfahren müssen, dass das Virus, mit dem wir uns in Algerien angesteckt haben, uns innenpolitisch zu schaffen macht.«
»Rolland, das wäre wirklich eine faszinierende Diskussion, wenn wir Jean-Paul und Simone wären und in einem Café am Montmartre sitzen und schwarzen Kaffee trinken und noch schwärzere Gitanes rauchen würden. Aber warum lassen Sie nicht einfach die Hintergründe weg und erklären mir, auf was Sie hinauswollen?«
Rolland lehnte sich zurück und blies den Zigarettenrauch durch die Nase.
»Verrat, Caitlin. Darauf will ich hinaus. Lacan, der Mann, der Sie hier festgehalten hat, hat das nicht aus eigenem
Antrieb getan. Er hat auch nicht im Auftrag einer kleinen Zelle von Verrätern gehandelt. Ich fürchte, Monsieur Lacan gehörte zu einem viel größeren, sehr gut organisierten Netzwerk von Staatsbeamten der Algerischen Schule, wie wir sie nennen, die der Ansicht sind, dass es für Frankreich lebensnotwendig ist, mit der aufstrebenden muslimischen Welt gute Beziehungen zu unterhalten.«
»So eine Art Appeasement-Politik also.«
»Nein, ›Appeasement‹ bedeutet ›Beschwichtigung‹ und ist in diesem Zusammenhang ein viel zu schwacher Ausdruck. Es geht diesen Leuten nicht nur darum, hin und wieder moralisch fragwürdige Zugeständnisse zu machen, um die eigene Position abzusichern. Das war nicht die grundlegende Philosophie dieser Schule. Der Begriff ›Anpassung‹ ist angebrachter, auch wenn das in Ihren Ohren womöglich recht blutarm klingt. Ist es aber tatsächlich nicht. Die Algerische Schule hatte sich nämlich zum Ziel gesetzt, den französischen säkularen Staat in das Haus des Islam einzugliedern.«
»Sie wollten also überlaufen.«
»Ja, in der Tat. Und zu diesem Zweck haben sie sich mit der heimischen Intifada verbündet, in der Ihre Zielperson eine herausragende Rolle spielt.«
»Heilige Scheiße«, stieß Caitlin hervor. Sie war beeindruckt. »Und diese Stoßtruppe, wie viele von denen sind übergelaufen?«
Rolland schüttelte den Kopf.
»Genug. Etwa ein Drittel. Mit den anderen hat man in den ersten Tagen des Kampfes kurzen Prozess gemacht.«
»Aber da draußen ist ein Bürgerkrieg im Gange. Es können doch nicht ganze Armee-Divisionen übergelaufen sein.«
»Nein. Es gibt Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Gruppen innerhalb der Armee und anderen Staatsorganen. Die meisten Soldaten haben keine Ahnung,
was vor sich geht. Wenn ein Regiment den Befehl erhält, die Meuterei einer Einheit der Fremdenlegion zu bekämpfen, dann wird ihnen nicht weiter erklärt, in welchem Zusammenhang dieser Konflikt steht. Für sie ist es einfach nur Bürgerkrieg. Inzwischen sind die Kämpfe so weit gediehen, dass überall das Chaos ausgebrochen ist. Beschuldigungen, Gegenbehauptungen, Propaganda. Es ist ein einziges Durcheinander.«
Er beugte sich vor und drückte die Zigarettenkippe aus.
»Aber eines weiß ich, Caitlin. Sie können uns helfen, das zu beenden. Ihre Zielperson, Baumer, ist nicht die zentrale Figur, aber er ist derjenige, der uns zu den Strippenziehern der Algerischen Schule führen kann. Wenn wir die ausschalten, dann ist die Intifada kopflos und nicht mehr wert als ein Aufstand des Pöbels, den die Armee niederschlagen kann, wenn sie nicht mehr innerlich gespalten ist.«
»Sie geben mir den Auftrag, Ihre eigenen Leute umzubringen?«, fragte sie ungläubig.
Eine weitere Stimme meldete sich hinter Rolland zu Wort. Sie erstarrte. Es war die Stimme eines Amerikaners.
»Das wäre ohnehin deine nächste Mission gewesen. Deshalb wurdest du überwacht.«
»Wales? Verdammt nochmal, Wales!«
So krank sie auch war, körperlich und seelisch, jetzt sprang Caitlin auf und rannte auf Wales Larrison zu, um ihn zu umarmen. Sie warf ihn beinahe um, als sie ihre Arme um seinen Hals schlang.
»Verdammt, Wales, es ist … es
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