Der Effekt - Roman
Freie wie Melton. Er hatte einen Jahresvertrag unterschrieben und bekam nur einen Bruchteil des Geldes, das er bei der Army Times verdient hatte, was auch nicht gerade der Gipfel gewesen war, aber angesichts der Umstände war es schon sehr luxuriös, über ein eigenes Büro in Paris zu verfügen.
Es war wirklich pervers, aber er aß besser und konnte ruhiger schlafen als die meisten Menschen in Großbritannien.
»Also gut«, rief Monty in geschäftsmäßigem Ton. »Welche aufregenden Neuigkeiten und anregenden Details hat unsere schöne Stadt uns denn heute zu bieten? Caroline, Liebling, gibt’s irgendeine Chance, dass wir ein Interview mit dem großen Sarko bekommen?«
Caroline Wyatt schaute demonstrativ zur Decke, von der der Putz abblätterte.
»Seine Bewacher hatten mir versprochen, dass ich ihn gestern treffen sollte, und ich hab den ganzen verdammten Tag damit zugebracht, in einem gepanzerten Wagen von einem Bunker zum nächsten zu fahren, um in seine Nähe zu kommen. Ich bleib dran, Monty, wenn du es möchtest, aber ich glaube nicht, dass er sich mit uns einlassen wird, bevor er ein paar glorreiche Neuigkeiten zu verkünden hat.«
»Seine bewaffneten Truppen haben doch letzte Nacht die Innenstadt erobert. Ich dachte, das wäre glorreich genug.«
»Ja, es ist eine positive Nachricht, oder? Dutzende Leclerc-Panzer machen arabischen Straßenkämpfern den Garaus und walzen sie in die Blumenrabatten des Bois de Boulogne. Ich frage mich, wieso er darüber nicht mal bei einem Glas Pernod plaudern möchte.«
»Bleib dran, Herzchen. Ich habe vollstes Vertrauen in deinen Charme. Bret, willst du dich nicht wieder mit den
Marines zusammentun? In London sind sie ganz scharf darauf, dass du dich bei der Truppe einklinkst, wenn sie sich die Säuberung von Lyon vornimmt.«
Melton klopfte mit seinem Kugelschreiber auf den Schreibblock.
»Sobald ich hier fertig bin, mache ich mich auf den Weg nach Suresne. Die Marines - bei denen es sich eigentlich um einen Trupp Army Rangers handelt - haben ein Fort auf dem Mont Valerien eingenommen. Sie sind mit Fallschirmen da reingegangen. Die Festung war voll mit ultrafanatischen Dschihad-Kämpfern. Da gibt’s bestimmt ein paar spannende Geschichten zu erzählen.«
Normalerweise hätte er in einem Raum mit anderen BBC-Reportern den Mund nicht so voll genommen, sondern einfach nur »Ja, geht in Ordnung« gemurmelt. Aber diese Kollegen hier waren nicht normal. Sogar Caroline Wyatt, die jeden Tag noch eine Stunde für ihr Make-up opferte, nickte zustimmend. Er musste es ihnen nicht schmackhaft machen. Sie wussten alle, was für ein riskantes Unternehmen die Einnahme des Forts gewesen war und wie schwierig die Eroberung der Stadt werden würde. Die Konflikte zwischen den verschiedenen Fraktionen innerhalb des französischen Militärs waren äußerst destruktiv. Ganze Abschnitte in den Vorstädten waren bei den Scharmützeln verfeindeter Truppen verwüstet worden, die entweder für Sarkozy oder für die sogenannten Loyalisten eintraten. Teile des Bois de Boulogne sahen aus wie Stalingrad Anfang 1943. Die Gebäude, die noch standen, waren größtenteils zerstört und ausgebrannt, die oberen Stockwerke weggesprengt. Die Ruinen am Straßenrand ragten in die Höhe wie abgebrochene Zähne.
»Ein verdammtes Durcheinander«, brummte Monty. »Rebellen, Renegaten, Meuterer, Loyalisten. Bald wird es schwierig, die alle auseinanderzuhalten. Kann mir jemand mal den Gefallen tun und erklären, warum die sich Loyalisten
nennen, wo sie doch einen Deal mit der Intifada geschlossen haben?«
Melton zeichnete gerade gedankenverloren eine Karte der Innenstadt, in die er den Verlauf der Fronten eintrug, so wie er es früher mal gelernt hatte, und zuckte mit den Schultern. »Sie nennen sich selbst Loyalisten, Monty. Das können sie tun, wenn es ihnen Spaß macht. Immerhin hat Sarkozy sich selbst zum Chef ernannt, nachdem es Chirac erwischt hat. Mag sein, dass das ein schlauer Schachzug war, aber es war dennoch illegal. Da greift ein zweiter Napoleon nach der Krone. Gut möglich, dass die meisten von denen, die für das Komitee kämpfen, glauben, dass sie die Republik verteidigen. Die Soldaten jedenfalls. Dass Sarko sie als Verräter beschimpft, die sich an die Intifada verkauft haben, macht die Sache auch nicht einfacher. Die Dschihad-Kämpfer sind ihnen willkommene Verbündete. Es ist ein einziges Chaos. So ist das immer in Bürgerkriegen.«
»Glauben Sie ihm trotzdem?«, fragte Caroline
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